Wir müssen über Gott reden

Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? So lautet die erste Frage des Heidelberger Katechismus. Generationen von Konfirmandinnen und Konfirmanden haben diese Frage und vor allem die dazugehörige Antwort aus dem Katechismus auswendig gelernt. In Fragen und Antworten entfaltet der Katechismus seit dem 16. Jahrhundert die wesentlichen Inhalte des Glaubens in einer Sprache, die damals (im 16. Jahrhundert) sehr modern und verständlich war – heute würden wir sagen: niedrigschwellig.

Fünfhundert Jahre später klappt das mit dem Niedrigschwelligen nicht mehr. Martin Luthers Katechismus und eben der Heidelberger Katechismus haben ihre Kraft und Klarheit verloren – einfach dadurch, dass die Zeit über sie hinweggegangen ist und unsere Sprache sich vollkommen verändert hat. Die Erklärungen, die damals so verständlich waren – die brauchen heute selbst lange Erklärungen. Weiterlesen

Auferstehung

Und unsere Hoffnung steht für euch auf festem Grund, weil wir wissen: Wie ihr das Leiden teilt, so teilt ihr auch die Tröstung. (2. Korinther 1,4-7)

Als Jesus von Nazareth vor 2000 Jahren gekreuzigt wurde, da brach dieses schreckliche Ereignis denen, die ihn liebten, das Herz. Alles, woran sie geglaubt, was sie gehofft hatten – es lag vor ihren Augen brutal und unwiederbringlich in Scherben. Nackte Gewalt beendete den Traum vom besseren Leben, von einer gerechten und friedlichen Welt. Nackte Gewalt zerstörte, was sie liebten.

Ich glaube, in diesem Jahr hören wir die Erzählung von dieser Katastrophe anders als in der Vergangenheit. Die täglichen Bilder und Berichte aus der Ukraine gehen uns unter die Haut. Wir erleben mit, was es heißt, wenn eine Hoffnung zerplatzt und die rohe Gewalt herrscht. Der europäische Frieden, an den viele von uns glaubten – die neue Welt, auf die wir nach dem Mauerfall hofften – das alles wurde von diesem Krieg regelrecht platt gemacht. Weiterlesen

Wie eine Mutter

Ich will euch trösten wie eine Mutter tröstet. (Jesaja 66,13)

Die Prophetie des Jesaja begleitet eine aufregende und umwälzende Epoche. Zunächst tut diese Prophetie alles, um ein Wahnsinnsprojekt zu verhindern: Den Krieg gegen Babylonien. Aber, wie so oft in der Geschichte, hat die Prophetie keinen Erfolg. Das kleine Land stürzt sich in den Krieg, und die Folgen sind eine einzige Katastrophe: 597 vor Christus erobert der babylonische König Nebukadnezar das ganze Land.

Er belagerte die Stadt Jerusalem. Als Jerusalem sich ergibt, richtet die babylonische Armee ein Blutbad an. Darüber, was in einer Stadt geschieht, die erobert wird, wissen wir wahrscheinlich alle Bescheid. Die babylonische Armee zerstört und verwüstet Jerusalem und den Tempel. Sie deportieren Tausende nach Babylonien. Weiterlesen

Heilige Mutter Gottes, vertreibe Putin!

Am 21. Februar 2012 drang die Frauen-Punk-Band Pussy Riots in der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche in den Altarraum ein und führte ein „Punk-Gebet“ auf. Das Gebet richtete sich gegen die enge und korrupte Verbindung von Staat und Kirche in Russland und gipfelte in dem lauten Ruf: „Heilige Mutter Gottes, vertreibe Putin!“

Der Auftritt dauerte genau 41 Sekunden, dann griff die Polizei ein und verhaftete die Frauen. Die russisch-orthodoxe Kirche verurteilte den Auftritt und unterstütze das Strafverfahren gegen die Band. Die Band habe religiöse Gefühle verletzt. Jekaterina Samuzewitsch, Nadeschda Tolokonnikowa und Marija Aljochina wurden im Sommer 2012 wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ zu je zwei Jahren Haft und Arbeitslager verurteilt. Weiterlesen

Wer ist hier gewissenlos? 150 Jahre Paragraph 218

Dallas in Texas. 3. Juni 2021. Eine Abiturientin hält eine Rede bei der Abschlussfeier ihrer Schule. Sie heißt Paxton Smith und ist die Beste ihres Jahrgangs. Allerdings sagt sie von ihrem Manuskript nur die ersten Sätze. Dann spricht sie frei. Am Anfang zögerlich und etwas stotternd, dann immer klarer:

Angesichts der jüngsten Ereignisse fühlt es sich falsch an, über etwas anderes zu sprechen als über das, was mich und Millionen andere Frauen in diesem Staat derzeit betrifft.

Diese „jüngsten Ereignisse“ – das sind neue Regelungen des Bundesstaats Texas. Sie verbieten einen Schwangerschaftsabbruch nach der 6. Woche in jedem Fall. Das ist so früh, dass die meisten Frauen zu diesem Zeitpunkt nicht einmal wissen, dass sie schwanger sind. Weiterlesen

Schwerter zu Pflugscharen

Und Gott wird Recht sprechen zwischen den fremden Völkern und richten zwischen vielen Völkern. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Winzermessern umschmieden, kein fremdes Volk wird mehr gegen ein anderes sein Schwert erheben, und niemand wird mehr Kriegshandwerk lernen. (Jesaja 2,4)

Mein Schwiegervater war der Maler und Grafiker Herbert Sander aus Potsdam. 1980 entwarf er einen Aufnäher, der drei Worte aus diesem Bibeltext verwendete: „Schwerter zu Pflugscharen“.

„Schwerter zu Pflugscharen“ kommt in der Bibel gleich mehrfach vor: In der Jesaja-Prophetie, im Buch Micha und im Buch Joel. Daran können wir sehen, dass der Spruch im alten Israel ausgesprochen populär war. Nicht nur wir modernen Menschen sehnen uns nach einer friedlichen Welt. Die Sehnsucht nach einem Ende von Krieg und Gewalt ist Jahrtausende alt. Weiterlesen

Lebendiges Feuer statt kalter Asche

Und auf einmal erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten, und auf jede und jeden von ihnen ließ sich eine nieder. (Apostelgeschichte 2,3)

In den letzten Wochen und Monaten gibt es ein Thema, das sich durch viele Gespräche zieht: Wie kann es nur sein, dass Religion in der Öffentlichkeit fast nur noch in Zusammenhang mit Gewalt vorkommt? Und wie stehen wir als evangelische Christinnen und Christen dazu?

Wir hören von Religion im Zusammenhang mit Terroranschlägen. Religion rechtfertigt an vielen Orten dieser Welt Gewalt gegen Frauen, Missachtung der Menschenrechte, Hass gegen homosexuelle Menschen. Wir erleben Religion als eine Sammlung von abstrusen Vorurteilen. Wir hören von Peitschenhieben und Steinigungen, die dem Willen Gottes entsprechen sollen. Weiterlesen

Kirchlich heiraten? Ist doch ganz einfach!

Kirchliche Trauungen sind heute oft viel aufwändiger als früher. Wedding-Planer, einschlägige Zeitschriften und vor allem amerikanische Spielfilme sorgen dafür, dass es immer mehr gibt, was angeblich als Muss gilt: Zahlreiche Vorschriften, was die Braut zu tragen hat, wie der Ablauf sein soll, was alles zu beachten ist. Das führt dazu, dass mir immer öfter Brautpaare gegenüber sitzen, die einen ganzen Katalog von Regeln mitbringen, die angeblich beachtet werden müssen.
Dazu kann ich nur sagen: Was die kirchliche Trauung betrifft, so gibt es einen groben Ablauf, der vorgegeben ist: Biblische Lesungen, die Traufrage an das Brautpaar, Ringetausch und Segen – das ist so ungefähr der Kern einer kirchlichen Trauung. Dazu kommen Lieder, Gebete und eine Ansprache. Im Grunde ist das relativ schlicht. Aber, wie gesagt: Da ist ja noch all das andere, von dem Freundinnen, Brauteltern und die schon erwähnten Hollywood-Filme meinen, es sei unabdingbar. Weiterlesen

Wie kann eine Beerdigung gestaltet werden?

Diese Frage hört sich vielleicht seltsam an, jedenfalls für viele Menschen. Eine Beerdigung gestalten? Das ist doch immer gleich, oder? Gibt es da nicht einfach bestimmte Dinge, die „man“ so macht? Die Antwort ist: Nein, es gibt natürlich einiges, das zu einer Trauerfeier immer dazugehört, aber vieles lässt sich durchaus individuell gestalten. Weiterlesen

Wenn die Liebe zerbricht

„Was sind schon die vielen kleinen Landabenteuer der Liebe gegen die große Schifffahrt der Ehe?“, so fragte einst der Philosoph Ernst Bloch. Aus diesen Worten spricht die Erfahrung einer Liebe, die Bestand hat – wie ein Schiff, das die Stürme des Lebens nicht nur übersteht, sondern vielleicht sogar gestärkt daraus hervor geht – eine Liebe, die nicht nur bleibt, sondern sich vertiefen und wachsen kann. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Hochzeitspaare sich genau dies wünschen, wenn sie beschließen, eine Ehe einzugehen: eine Liebe, die bleibt und die ein tragfähiges Fundament bildet für viele Jahre und für eine eventuell wachsende Familie. Weiterlesen