Wir müssen über Gott reden

Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? So lautet die erste Frage des Heidelberger Katechismus. Generationen von Konfirmandinnen und Konfirmanden haben diese Frage und vor allem die dazugehörige Antwort aus dem Katechismus auswendig gelernt. In Fragen und Antworten entfaltet der Katechismus seit dem 16. Jahrhundert die wesentlichen Inhalte des Glaubens in einer Sprache, die damals (im 16. Jahrhundert) sehr modern und verständlich war – heute würden wir sagen: niedrigschwellig.

Fünfhundert Jahre später klappt das mit dem Niedrigschwelligen nicht mehr. Martin Luthers Katechismus und eben der Heidelberger Katechismus haben ihre Kraft und Klarheit verloren – einfach dadurch, dass die Zeit über sie hinweggegangen ist und unsere Sprache sich vollkommen verändert hat. Die Erklärungen, die damals so verständlich waren – die brauchen heute selbst lange Erklärungen. Weiterlesen

Vom offenen Himmel erzählen

Er wurde vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, weg vor ihren Augen“ (Apostelgeschichte 1,11)

Als Kind war es mir immer klar: der liebe Gott wohnt im Himmel. Von dort sieht er alles. Das ist manchmal nicht angenehm, weil er auch das sieht, was ich gerne verbergen möchte. Aber ich fand es auch irgendwie sehr tröstlich, denn so kann er mich im Auge behalten. Er behütet und beschützt mich. Immer.

Aber weil Gott in meiner Vorstellung im Himmel wohnte, war er für mich immer ein sehr entfernter, ein unnahbarer Gott. Erst später ist mir klar geworden: Gott hat den Himmel ganz weit für uns geöffnet. Er hat den Himmel verlassen, um uns ganz nahe zu sein, um selbst in seinem Sohn in die Welt zu kommen. Und er hat ihn wieder geöffnet, um Christus aufzunehmen. Er lässt uns in der Himmelfahrt an der Öffnung des Himmels teilnehmen. Weiterlesen

Über die Sehnsucht nach Brot und Wasser

Eines bitte ich vom HERRN, das hätte ich gerne: dass ich im Haus des HERRN bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HERRN und seinen Tempel zu betrachten.“ (Psalm 27,4)

Nie hätte ich gedacht, dass die Bitte des Psalmbeters meine Bitte werden könnte. Völlig ausgeschlossen schien mir, dass es untersagt werden würde, Gottesdienst zu feiern. Es waren sechs Wochen. Und die Auflagen unter denen es wieder möglich ist, sind streng. Und vieles, was an Gottesdiensten wichtig ist, ist weiterhin kaum oder gar nicht möglich.

Für mich ist Gottesdienst die spirituelle Kraftquelle der Woche. Mit ihm beginnt für mich eine neue Woche voller Möglichkeiten und Herausforderungen, denen ich als von Gott Gesegneter begegnen kann. Ob als Liturg und Prediger oder ob als Besucher: Gesang, Lesung, Gebet, Gemeinschaft, Segen sind für mich geistliches Brot und Wasser. Und die letzten Wochen musste ich stattdessen mit Astronautennahrung auskommen. Statt zu backen und zu schöpfen, mussten ich und all meine Kolleginnen und Kollegen an den Chemiebaukasten. Weiterlesen

Broken Hosianna | In Zeiten von Corona #20

Lobt Gott in den Versammlungen. (Psalm 68,27) – Als die große Menge, die auf das Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei der, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel (Johannes 12,12-13) | Tageslosung für Palmsonntag, 5. April 2020

Mit dem Ereignis, über das unsere Tageslosung berichtet, beginnt das finale Projekt in Jesu Lebensgeschichte. Er geht nach Jerusalem, um dort das Passahfest zu feiern. Die Hauptstadt wimmelt vor Menschen, das römische Militär ist in höchster Alarmbereitschaft. Zeiten wie diese sind wie gemacht für Aufstände und Revolutionen, und darum immer gefährliche Zeiten für die mächtigen, meist ungeliebten Herrn. Auch Jesus war von wohlmeinenden Menschen gewarnt worden, seine Idee besser fallen zu lassen. Schnell kommt es in überhitzten Zeiten zu falschen Einschätzungen und gefährlichen Überreaktionen. Weiterlesen

Über die Sünde – und was wir daraus lernen können | In Zeiten von Corona #10

Ich bekenne meine Schuld, bekümmert bin ich meiner Sünde wegen. (Psalm 38,19) – Die Traurigkeit nach Gottes Willen wirkt zur Seligkeit eine Umkehr, die niemanden reut. (2. Korinther 7,10) | Herrnhunter Tageslosung für den 26. März 2020

Gestern habe ich hier berichtet über den Menschen als Kunstwerk Gottes, von seiner Größe und Würde, seiner Funktion und seinem Auftrag. Heute muss ich erzählen von seinem Scheitern und seiner Hässlichkeit. Habe ich gestern so sehr bestanden auf der Freiheit der Kinder Gottes – so muss ich heute eingestehen, dass wir Menschen nicht nur fähig sind zum Guten, sondern auch zum Schlechten. Die Spuren unseres bösen Tuns ziehen sich durch Natur und Geschichte. Es ist offensichtlich, dass wir Menschen alles andere als gelungene Meisterwerke sind. Weiterlesen