Krieg und Kirche – ein Versuch

Von einem früheren Kollegen kam der Wunsch, nicht nur Politisches und Geschichtliches zum gegenwärtigen Kriegsgeschehen zu hören bzw. zu lesen, sondern auch etwas Theologisches. Ich möchte versuchen, diesem Wunsch nachzukommen.

Dabei folge ich Karl Barth, weil mich das, was er zum Thema Krieg geschrieben hat, noch immer am meisten überzeugt. Barth hat sich im Laufe seines Lebens vielfach zum Thema „Krieg“ geäußert, am umfassendsten und gründlichsten in Band III/4 seiner „Kirchlichen Dogmatik“, dort im Abschnitt „Der Schutz des Lebens“ (Seite 515-538). Der Band ist 1951 erschienen. In meinen Augen haben seine Ausführungen nichts an inhaltlicher Berechtigung und Aktualität verloren trotz der 70 Jahre, die uns vom Erscheinen des Bandes trennen. Weiterlesen

In Jesus ist Gott an der Seite der Schwachen

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. (Micha 4,3)

In der Süddeutschen Zeitung berichten Menschen aus der Ukraine, wie sie den Kriegsausbruch und die bisherigen Tage des Krieges erlebten. Es sind Berichte zwischen Verzweiflung und mutiger Standhaftigkeit. Vom ersten Tag des Krieges, dem 24. Februar, berichtet der 27jährige Ivan Bobelko aus Lemberg:

„Ich wurde um sieben Uhr morgens von meinem Handy geweckt. Meine Mutter war dran und sagte: „Ivan, steh auf, der Krieg hat angefangen.“ Das werde ich nie vergessen. Ich stand fassungslos da. Krieg, ein echter Krieg – das war etwas, was ich mir nicht vorstellen konnte. Ich meinte, wir sind im 21. Jahrhundert“ (Süddeutsche Zeitung Nr. 53 vom 5./6. März 2022, S. 11).

Viele haben sich nicht vorstellen können, dass es wirklich Krieg gibt. In der Ukraine nicht und schon gar nicht bei uns. Und dann kam er doch – dieser absurde Krieg, der kaum nachvollziehbar ist. Weiterlesen

Widersprüchliche Zeiten, widersprüchlicher Glaube

Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder. (Psalm 98,1)

„Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Was für ein Bibelwort ist das für unsere widersprüchlichen Corona-Zeiten! „Singet dem HERRN ein neues Lied“? Das würden wir ja gerne, am besten gemeinsam, in großer Runde und wie mit einer Stimme.

In Corona-Zeiten ist alles anders. Musikerinnen und Musiker finden zwar Wege, um alte oder neue Musik zu machen und für Menschen aufzuführen. Was für ein Ideenreichtum da aufkommt – von digitalen Proben und Übertragungen von Live-Konzerten, über Balkonkonzerte bis zu Konzerten in Höfen von Senioreneinrichtungen. Doch das ersetzt eben nicht das gemeinsame Musizieren, geschweige denn das Singen in großer Gemeinschaft, etwa in festlichen Gottesdiensten. Konzerte vor Publikum in Kirchen, Konzertsälen oder auf Festivals sind doch etwas anderes. Weiterlesen

Siehe, es kommt die Zeit

Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der HERR ist unsere Gerechtigkeit. (Jeremia 23,6)

Mit dem Advent beginnt auch ein Aufatmen. Ein neues Kirchenjahr liegt vor uns – hinter uns liegen Allerheiligen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag. Wir haben unserer Schuld gedacht und die Verstorbenen Gott anbefohlen. Wir haben uns das eigene Sterben bewusst gemacht. Jetzt können wir aufatmen. Auch beim Singen. Die Melodien werden beschwingter, sogar tänzerischer. Selbst die biblischen Texte atmen durch und schauen in die Ferne. Siehe, sagt der Prophet Jeremia, es kommt die Zeit…

Jeremia führt uns in eine Zeit vor zweitausendsechshundert Jahren, weit zurück in das Alte Testament. Das Königreich Juda befindet sich kurz vor seinem Untergang. Und der Prophet meldet sich zu Wort. Weiterlesen