Über das Weinen

Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude. (Psalm 30,6)

Im Kino ist es mir peinlich. Ich mag nicht nach den Taschentüchern kramen und mir die Nase schnäuzen – „So ein Sensibelchen, fängt gleich bei trauriger Musik schon an zu weinen!“ – das soll nicht gleich jede und jeder denken, wenn ich die Tempos knisternd rauskrame.

Doch die Filmemacher*innen wissen genau, wie das geht, dass mir ganz schnell die Tränen kommen. Es ist die Empathie, die dazu führt, dass wir Menschen wegen des Leidens anderer Menschen weinen. Übrigens ergeht es mir bei Beerdigungen auch manchmal so wie im Kino: Wenn die Angehörigen bei der Trauerfeier weinen, ja sogar schluchzen, dann bleibe ich davon nicht unberührt. Dann kommt der Kloß im Hals und ich muss tief durchatmen und mich auf meine Traueransprache konzentrieren. Weiterlesen

Nah – Näher – der Nächste

Nähe ist komplex. Wirklich? Nähe ist, wenn man sich nicht fern ist – Nähe ist also das Gegenteil zu Distanz. Aber wie genau definieren wir Nähe und Distanz? Und was bewirkt die Nähe? Wo erlebe ich Nähe oder auch Distanz? Hier tun sich einige Fragen auf, die zeigen: Es ist doch komplexer als gedacht. Weiterlesen

Gott ist Beziehung

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. (2. Korinther 13)

Aus diesem Satz springt uns die Dreieinigkeit förmlich an. Was mich, ehrlich gesagt, an dem Satz ein wenig stört, ist die Zuordnung einzelner Eigenschaften. Als ob die Gnade nur zu Jesus gehören würde, die Liebe zu Gott und die Gemeinschaft zum Heiligen Geist. Denn das macht zumindest in meinem Kopf eine ganz klare Trennung der drei – nennen wir es hier mal so – Personen. Und so soll es doch grade nicht sein, oder? Weiterlesen

Beten ist Beziehungspflege

Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir vom Geheimnis Christi reden können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, auf dass ich es so offenbar mache, wie ich es soll. (Kolosser 4,2-4)

„Beharrlichkeit, die. Substantiv, feminin, Synonyme: Ausdauer, Hartnäckigkeit, standhaft“. Das finden Sie, wenn Sie im Duden unter „Beharrlichkeit“ nachschlagen. Um beharrlich bei der Sache zu bleiben, muss man daran Interesse haben. Man kann aber auch in Dingen beharrlich sein, die uns eigentlich nicht besonders gefallen: Diät halten zum Beispiel, also beharrlich allen leckeren Versuchungen widerstehen. Beharrlichkeit hat aber immer einen bestimmten Antrieb: ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Weiterlesen

Mein Gebet für S.L.

Darf man das so sagen? Dass man einen Menschen im Herzen trägt, der gar nicht mit einem verwandt ist, mit dem man auch nicht im klassischen Sinn befreundet ist, der einem – mir – aber sehr nahe ist?

Es ist so. Immer wieder denke ich an ihn, manchmal werde ich dabei sehr traurig, manchmal lächle ich still vor mich hin. Immer aber dabei: Hochachtung und mein Wunsch, auch einmal so tapfer zu sein, so gerade, so aufrecht. Weiterlesen

Mit Gott verbunden bleiben

…auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. (Johannes 17,23)

Als Kind habe ich gerne am Feiertag Christi Himmelfahrt an dem ökumenischen Gottesdienst unserer Gemeinde teilgenommen. Besonders gut sind mir die anschließenden Ausflüge mit der gesamten Gemeinde in Erinnerung. Es wurde gesungen und gebetet, gespielt und geredet, gewandert und gefeiert. Wir wussten uns als Christen miteinander verbunden, egal ob katholisch oder evangelisch, Mann oder Frau, Kind oder Opa. In diesen Stunden erlebte ich mit allen Sinnen, was es bedeutet, dass „alle eins seien“. Weiterlesen

Zum 75. Jahrestag des Kriegsendes

Am 8. Mai 1945 endete der zweite große Krieg. Deutschland war besiegt. Eine Niederlage, die sich als Befreiung von einem verbrecherischen System erwies. Unsere Kirche hat dies sehr früh im Stuttgarter Schuldbekenntnis aufgenommen: „…aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Persönlich habe ich über die Erfahrungen meines Schwiegervaters an dieser Zeit Anteil genommen. Er zog mit 17 Jahren in den Krieg und kehrte mit 27 Jahren aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Natürlich geprägt von der Idee, den Krieg verloren zu haben. Aber im Laufe der Jahre hat er die Niederlage als Befreiung verstanden. Mich hat beeindruckt, wie sehr er darauf aus war, auf seinen Auslandsreisen die Spuren der Vergangenheit zu suchen – und sich zu versöhnen. Weiterlesen

An Gott glauben, das ist hoffen

Ostern ist das Fest der Hoffnung! Keine irgendwie abstrakte Hoffnung, die nichts mit unserem Leben zu tun hat. Es ist eine trotzige Hoffnung, die ihren Grund in Jesus Christus hat, der sein Leben mit uns teilte bis in den Tod. Dass man die Kraft der Hoffnung darin nicht immer sofort erkennt und versteht, belegen die nachösterlichen biblischen Texte auf berührende Weise: Auch die engsten Freunde erkennen Jesus nicht oder verstehen ihn nicht. Doch der Auferstandene zieht sich nicht zurück, sondern mischt sich ein. Er tritt auf, kommt dazu, geht an der Seite der Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Weiterlesen

Uns allen wird das Leben blühen

Der Engel ging zum Grab, rollte den Stein weg und setzte sich darauf. „Fürchtet euch nicht!“ (Matthäus 28,2+5)

Die Frauen sind auf dem Weg zum Grab. Mit ihnen geht ihre Ungewissheit, die Traurigkeit der letzten Tage und nicht zuletzt die Angst vor dem, was da auf sie wartet. Doch statt des übermächtig erscheinenden Felsbrockens wartet ein Engel auf sie. Er sitzt auf dem Stein, den er soeben zur Seite geräumt hat. Vielleicht hat er das mit leichter Hand getan, vielleicht aber auch mit gehörigem Aufwand, mehrmaligem An-setzen, Stemmen und unter Aufwendung seiner ganzen Kraft. Aber es ist geschafft. Endgültig.

Der Eingang ist frei, lässt die frische Frühlingsluft hinein. Der Stein, der eben noch unüberwindbar schien, liegt auf der Seite, gibt den Blick frei, steht nicht mehr im Weg, liegt nicht mehr zwischen unseren Füßen. Weiterlesen

Unser Palmsonntag

Am nächsten Tag verbreitete sich unter der Volksmenge, die zum Passahfest gekommen war, die Nachricht: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Da nahmen die Menschen Palmenzweige, liefen Jesus entgegen und riefen ihm begeistert zu: „Gelobt sei Gott! Gepriesen sei, der in Gottes Auftrag kommt, der König von Israel!“ (Johannes 12,12-13)

Eine Volksmenge, die jubelt und den Retter feiert, auf den die Menschen so lange gewartet haben. Palmsonntag, so nennen wir ihn, denn die Menschen damals nahmen Palmzweige und winkten Jesus damit zu, als er nach Jerusalem einritt. Die Straße voll, buntes Treiben…

Unsere Straßen sind leer. Wir wissen, dieses kommende Osterfest wird ganz anders. Keine Familienbesuche. Keine Gottesdienste. Nichts. Ein Virus lässt die Welt stillstehen und verändert alles, von heute auf morgen. Weiterlesen