Hörer und Täter des Wortes

Im Brief des Jakobus, Kapitel 1 Vers 19, steht folgende Anweisung an die Empfänger: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“ Es lebe Lutherdeutsch, andere Bibel bitte. Die „Hoffnung für alle“ kriegt diese Stelle verständlicher hin: „Denkt daran, liebe Brüder und Schwestern: Seid immer sofort bereit, jemandem zuzuhören; aber überlegt genau, bevor ihr selbst redet. Und hütet euch vor unbeherrschtem Zorn!“ Dann folgt Vers 20: „Denn im Zorn tun wir niemals, was Gott gefällt.“

Wie sieht das denn bei mir aus – werde ich dieser Anforderung gerecht? Also zuhören kann ich, denke ich, ganz gut. Ich bemühe mich, die Botschaft zu verstehen, die mein Gegenüber weitergeben möchte. Ich versuche, seinen Denkspuren zu folgen, ohne meine eigenen – vielleicht ganz anderen – Denkmuster in seine Worte hineinzuinterpretieren, was nicht immer ganz leicht ist. Und jemandem zuzuhören, der in der Steinzeit anfängt, wenn er mir etwas von gestern erzählen will, kann ganz schön nervenaufreibend sein, da erreiche ich dann flott mal meine Grenzen. Weiterlesen

Über das Verschwinden der Barmherzigkeit

Darum seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lukas 6,36)

Vor einiger Zeit ist ein sogenanntes „Lexikon der bedrohten Wörter“ erschienen. Denn es gibt nicht nur bedrohte Pflanzen und Tiere, sondern auch Wörter, die vom Aussterben bedroht sind. Wörter wie „Kleinod“ oder „hold“. Beide hören Sie im Alltag nicht mehr. Ebenso wenig wie das Wort „barmherzig“.

Wenn Konfirmanden beim Vorlesen aus der Bibel auf dieses Wort stoßen, dann stocken sie und betonen es mit ziemlicher Sicherheit auf der ersten Silbe. Sie sagen: „barm-herzig“. Daran merke ich, dass sie das Wort noch nie gelesen oder gehört, geschweige denn selbst gebraucht haben.

Mich beunruhigt das. Denn man sagt nicht zu Unrecht: Wenn ein Wort verschwunden ist, dann ist auch die Sache selbst verschwunden. Weiterlesen

Das schönste Wort

Ich gehöre zu den Menschen, die unterwegs in der Stadt alles Mögliche lesen. Früher dachte ich, das sei ganz normal. Aber inzwischen weiß ich, dass nicht jeder so tickt. Ich jedenfalls lese, was auf großen Plakaten und kleinen Schildern steht, an der Bushaltestelle, in Schaufenstern. Ich lese sogar die „Katze entlaufen“- und „Wohnung gesucht“-Zettel an Straßenlaternen und Fußgängerampeln, obwohl ich keine Katze gefunden oder Wohnung zu vermieten habe. Weiterlesen