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Hörer und Täter des Wortes

Im Brief des Jakobus, Kapitel 1 Vers 19, steht folgende Anweisung an die Empfänger: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“ Es lebe Lutherdeutsch, andere Bibel bitte. Die „Hoffnung für alle“ kriegt diese Stelle verständlicher hin: „Denkt daran, liebe Brüder und Schwestern: Seid immer sofort bereit, jemandem zuzuhören; aber überlegt genau, bevor ihr selbst redet. Und hütet euch vor unbeherrschtem Zorn!“ Dann folgt Vers 20: „Denn im Zorn tun wir niemals, was Gott gefällt.“

Wie sieht das denn bei mir aus – werde ich dieser Anforderung gerecht? Also zuhören kann ich, denke ich, ganz gut. Ich bemühe mich, die Botschaft zu verstehen, die mein Gegenüber weitergeben möchte. Ich versuche, seinen Denkspuren zu folgen, ohne meine eigenen – vielleicht ganz anderen – Denkmuster in seine Worte hineinzuinterpretieren, was nicht immer ganz leicht ist. Und jemandem zuzuhören, der in der Steinzeit anfängt, wenn er mir etwas von gestern erzählen will, kann ganz schön nervenaufreibend sein, da erreiche ich dann flott mal meine Grenzen.

Noch übler wird es bei mir mit der zweiten Aufforderung. „Überlegt genau, bevor ihr selbst redet.“ Meistens überlege ich erst hinterher, was ich da gerade gesagt habe – von vorher Nachdenken ist bei mir selten die Rede. Leider wird diese Eigenschaft auch mit zunehmendem Lebensalter nicht weniger, eher im Gegenteil. Okay, ich hinterlasse keine Spur seelischer Verwüstung bei meinem Gegenüber, eine Spur Irritation aber schon mal, wenn man mich nicht so gut kennt. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass mir immerhin bewusst ist, an dieser Stelle an mir arbeiten zu müssen. Garantie für den Erfolg dieser Bemühungen lehne ich aber ab…

Punkt drei: der unbeherrschte Zorn. Da schneide ich meiner subjektiven Einschätzung nach besser ab als beim unbeherrschten Reden, wenigstens ein Pluspunkt! Ich habe jetzt eine halbe Stunde lang in meiner Erinnerung geforscht und bin nur einer Situation auf die Spur gekommen, in der ich völlig ausgerastet bin – da ging dann etwas Geschirr zu Bruch. Wahrscheinlich waren es aber mehr Ausraster und ich habe sie erfolgreich verdrängt… Also muss ich auch da gewaltig auf mich aufpassen.

Ich bleibe also bei Punkt eins, dem Zuhören – und versuche, mir selber öfter kritisch zuzuhören und gegebenenfalls Kurskorrekturen vorzunehmen, wenn ich mich ein wenig neben der Spur entdecke.

Christiane Beyer