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Pfingsten – einen neuen Blick auf die Zukunft wagen!

Heute feiern wir Pfingsten. Ein wunderbares Fest, das die Dynamik und Kraft des Heiligen Geistes zum Thema hat. Und gleichzeitig ein Fest der Symbole, mit dem sich viele schwertun.

Da gibt es den Heiligen Geist, der von den alten Meistern als Taube gemalt wird; auf ihren Bildern sieht man Strahlen, die von dieser Geisttaube ausgehen und zu den Menschen führen. Da gibt es Bilder von Feuerzungen, die sich auf die Menschen herabsenken. Und da ist himmlisches Brausen in der Luft, das anzeigt, dass sich Besonderes tut.

Fünfzig Tage nach Ostern, so die Apostelgeschichte, sind Leute aus aller Ländern zum jüdischen Wochenfest versammelt. Inmitten des Sprachengewirrs fangen die bis dahin verängstigten Jesus-Anhänger auf einmal an zu predigen. Und dann reden diese einfachen Leute, Handwerker und Fischer so, dass alle sie in ihrer eigenen Sprache verstehen. Für Mitarbeitende im Bereich Öffentlichkeitsarbeit ist es DAS Fest des Jahres: ein Fest der vollkommenen Kommunikation! Auch kein Problem mehr mit interner Kommunikation. Jeder versteht jeden, obwohl jede so redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.

Viele Außenstehende spotten, diese Leute seien betrunken vom Wein; sie sind es aber nicht. Es ist offenbar so, dass eine wunderbare Kraft in ihnen steckt, die ihnen die Angst nimmt, sodass sie sich nicht mehr in ihrer Trauer verkriechen. Sie erzählen davon, dass eine neue Zukunft angebrochen sei, und trauen sich hinaus in die Welt.

Das ist, so sagt die Bibel, die Kraft des Heiligen Geistes – eben Pfingsten. Soweit – so gut. Nach wie vor steht Pfingsten in unserem Kalender; noch haben wir diese kirchlichen Feiertage.

Aber was ist mit der neuen Zukunft, die angebrochen sein soll? Ja – wie sieht es bei uns aus mit zuversichtlicher Aufbruchstimmung… Wenn wir in der Kirche von Zukunft reden, erzählen wir viel vom Rückgang der Zahlen, von Haushalts-Konsolidierungen und notwendigem Kleiner-Werden und auch von unseren eigenen enttäuschten Hoffnungen.

Mein Eindruck ist, dass das Wort Zukunft momentan weniger verlockend als vielmehr bedrohlich gehört wird. Zukunft ist gerade mehr Drohwort als Frohwort. Am 23. Mai 2015, vor zehn Jahren, schrieb Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung:

„Zukunft hat den Klang einer Katastrophe, die auf die Menschheit zukommt. Die Katastrophen sind allpräsent: die Umwelt- und die Klimakatastrophe, die Flüchtlingskatastrophe, die Katastrophe auf dem Finanzmarkt, die Bildungskatastrophe; die demografische Katastrophe. (…)

Die Politik besteht darin, sich mit den Katastrophen zu beschäftigen, sie in Konferenzen zu beleuchten und in Abschlussdokumenten zu versichern, dass man sie bekämpfen und abwenden wird. Kleinschrittige Politik ist hier keine Politik der kleinen Schritte, sondern das Tippeln im Minenfeld der deklarierten Katastrophen. Wie aber wird die Zukunft fähig für ein Leben, das mehr ist als ein Überleben?“

Seine Worte gehen mir nach. Vor allem seine Abschlussfrage: Wie wird die Zukunft menschenfähig? Allein die Katastrophen um uns herum zu beschwören und sich mit ihnen zu beschäftigen – das reicht tatsächlich nicht aus. Indem wir uns fixieren auf das, was um uns herum wirklich schlecht läuft, kann nur schwer Hoffnung entstehen. Zukunft erscheint dann völlig festgefahren – in dem Sinne, das alles nur noch immer schlimmer werden kann.

Pfingsten erlebe ich da als wohltuenden Aufrüttler – als ein Fest, dass mit der Kraft des Heiligen Geistes einen neuen, anderen Blick auf die Zukunft zulässt. Den Blick auf eine offene Zukunft! Die biblische Geschichte erzählt, wie eine wunderbare Kraft den Menschen die Angst nimmt. Wie eine neue, schöpferische Kraft freigesetzt wird!

Für uns und unsere Kirche könnte das bedeuten, dass wir die echt herausfordernden Rahmenbedingungen nicht einfach nur erleiden und passiv akzeptieren; Sie wissen schon, was ich meine: weniger Kirchenmitglieder, weniger Ressourcen in jeder Hinsicht.

Sondern dass wir mutig aktive Schritte im Hier und Jetzt gehen: mutig Neues ausprobieren, Yoga-Gottesdienste anbieten, parochiale Grenzen öffnen, kirchliche Orte wie unsere Zentren 60plus stärken, Pfarrer*innen gabenorientiert über parochiale Grenzen hinweg einsetzen. Ja, und auch mal tapfer scheitern. Wieder aufstehen – und neue Schritte wagen… Zukunft kommt nicht einfach auf uns zu, sondern wir gestalten sie heute mit jeder Entscheidung, die wir fällen.

Wie war das noch mit Pfingsten? Die Apostelgeschichte orientiert sich an einer alten Weissagung und erzählt, dass Gott seinen Geist ausgießt auf die Menschen, und was dann mit ihnen passiert: „Eure Söhne und Eure Töchter werden Prophet*innen sein. Eure jungen Männer werden Visionen haben; und Eure Alten werden Träume träumen.“

Es geht also um die Zukunft eröffnende Kraft des Heiligen Geistes. Es geht nicht um „Zukunftsfähigkeit“, wie wir in Kirche und auch in der Politik gerne sagen. Ich zitiere noch einmal Heribert Prantl:

„Das Wort ‚zukunftsfähig‘ ist ein verlogenes Wort, weil es so tut, als gäbe es eine feststehende Zukunft, für die man sich fähig machen müsse. Es gibt aber keine Zukunft, von der man sagen könnte, dass es sie einfach gibt. Es gibt nur eine, die sich jeden Augenblick formt – je nachdem, welchen Weg ein Mensch, welchen eine Gesellschaft wählt, welche Entscheidungen die Menschen treffen, welche Richtung die Gesellschaft einschlägt – ich ergänze: je nachdem, wie mutig wir unsere Kirche verändern. Zukunft gibt es nicht festgefügt, sie entsteht in jedem Moment der Gegenwart, ist darum in jedem Moment veränderbar. Die Zukunft ist nicht geformt, sie wird geformt.“

Die Frage für uns und unsere Kirche in Essen ist also nicht, welche Zukunft wir haben oder erdulden, die Frage ist, welche Zukunft wir haben wollen und wie man darauf hinlebt und hinarbeitet. Die Frage ist nicht, was auf die Gesellschaft und Kirche zukommt, sondern wohin wir gehen wollen.

Ja – ein bisschen Mut gehört dazu – viel wichtiger aber das Vertrauen auf den, der uns in seine Nachfolge ruft: „Meine Hoffnung, meine Freude, meine Stärke, mein Licht – Jesus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht!“ (Jacques Berthier, Communauté de Taizé 1988). Amen.

Marion Greve

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