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Ihr seid geliebt

Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge. (Apostelgeschichte 26,22)

Seit 125 Jahren wird in unserer Thomaskirche das biblische Wort gehört und bedacht, feiern Menschen Taufe, Konfirmation und Trauung, auch manche Trauerfeiern. Viele von Ihnen verbinden Erinnerungen mit dieser Kirche.

Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge – diese Worte soll der Apostel Paulus gesprochen haben, als er befragt wurde, um zu klären, ob er in Haft und vor Gericht muss. Der Apostel Paulus war wohl der erfolgreichste Missionar der jungen christlichen Gemeinden, ohne sein Wirken wäre das Christentum vielleicht nie zur Weltreligion geworden.

Nach Jahrhunderten der Verfolgung wurde das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches. Mit dieser Verknüpfung von Religion und Staat begann ein Weg, der wesentlich mit dazu beitrug, das Evangelium um die Welt zu tragen – aber zugleich die Botschaft Jesu Christi untergrub. Als Staatsreligion, oft auch aufgedrückt, ging unter, was Jesus so wichtig war: die persönliche Beziehung zu Gott.

Und doch hat der Zwang auch dazu geführt, dass wir sprachfähig wurden, dass wir befähigt sind, so gut wie es uns Menschen möglich ist, über das Göttliche zu sprechen – und konnten entdecken, was uns in Jesus geschenkt ist. So bitter und voller Sünde die Geschichte ist, dass unsere Vorfahren Christen wurden, hat sie aber auch dazu geführt, dass wir in das Bekenntnis des Paulus – Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge – einstimmen können.

Unsere Leben sind sehr verschieden, manche haben es schwerer als andere, manche scheinen stets auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. So oder so liegt vieles davon nicht in unserer eigenen Hand. Die Menschen der Bibel brachten dies zur Sprache, wir finden ihre Erfahrungen in der Bibel, können uns ihre Worte leihen. Es tut gut, zu wissen, mit den eigenen Erfahrungen nicht allein zu sein, es tut gut, die Augen für Dinge geöffnet zu bekommen, für die wir bisher blind waren. Es tut gut, sich miteinander auszutauschen, gerade auch mit Menschen, die ebenfalls an Gott glauben.

Kirchtürme und Kirchen sind darum ein besonderes Geschenk – mit ihrem Turm-in-den-Himmel-strecken erinnern sie daran, dass es mehr gibt, als das, was wir sehen, dass es mehr gibt als den Tod. In den Mauern versammelt, wenn es gut läuft als Schutzraum vor dem Tosen dieser Welt, kann die Hoffnung gestärkt werden, die im Zeugnis der Bibel steckt und im Kreuz Christi zum Höhepunkt findet: wir sind geliebt!

Und weil wir geliebt sind, sollen auch wir lieben. Gerade bei Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Trauerfeiern soll dies deutlich werden: wir sind geliebt, können lieben, über die Grenzen dieser Welt, über den Tod hinaus. Wir dürfen dieser Welt zeigen: Gott ist unsere Zuversicht und Stärke (Psalm 46,2).

Kirchen, auch die Thomaskirche, sind dafür nicht zwingend notwendig – aber sie sind uns Menschen hilfreich, uns Menschen, die wir Symbole, Zeiten und Orte brauchen. Immer wenn morgens um 7 Uhr, mittags um 12 Uhr und abends um 19 Uhr die Glocken läuten, schallt es in die Welt: ihr seid geliebt, Gott will an eurer Seite stehen, so liebt auch ihr. Nehmt euch Zeit zu einem Gebet, tankt auf. Möge dieser Ruf immer wieder neu gehört werden.

Martin Keßler

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