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An diesen Gott will ich glauben!

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. (Offenbarung 21,4)

Ein Krug voller Tränen, vergossen von Frauen, die um Jesus klagten und weinten – auf seinem Weg zum Kreuz. Ich sehe sie vor mir, die Tränen der Töchter Jerusalems. So viele Hoffnungen haben sie auf ihn, Jesus, gesetzt – und jetzt scheint alles aus und vorbei zu sein. Ihre ganze Traurigkeit lassen sie heraus – sie klagen laut und weinen. Ihre Tränen verbinden uns über die Jahrtausende hinweg.

Tränen haben so viele Gesichter: Die junge Frau weint, aus Angst, ihren Job zu verlieren. Der alte Mann weint um seine Frau, die nach über 60 Jahren Ehe gestorben ist. Manch einer weint sich jeden Abend in den Schlaf, weil es so sehr schmerzt, dass der Partner, die Partnerin nicht mehr da ist.

Es tut mir gut, dass biblische Geschichten die Tränen nicht aussparen, sondern dass sie uns zum Weinen ermutigen. Wir erinnern uns am Karfreitag an das Leiden und den Tod Jesu. An das stumme, stille Ertragen des Schmerzes, aber auch seine gebrüllte Klage. Als Jesus am Karfreitag sah, dass Frauen um ihn weinten, sagte er: „Weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder“ (Lukas 23,28).

Weinen entlastet, entspannt, löst Spannungen und führt zu guter Erschöpfung. Alle aufgestauten Gefühle finden durch die Tränen einen Weg nach außen. Wenn das passiert, haben Tränen reinigende Kraft. In manchen Märchen sind sie sogar Anlass für Wunder: In „Rapunzel“ sind es die Tränen, die Blindheit heilen und bösen Zauber abwenden.

Um was weinen wir? Welche Trauerfälle, welche Abschiede ließen im vergangenen Jahr unsere Tränen fließen? Kurz vor dem 24. Februar dieses Jahres, als sich der Einmarsch russischer Truppen auf die Ukraine jährte, habe ich mich mit vier geflüchteten ukrainischen Frauen getroffen. Jede Frau erzählte intensiv davon, wie es war, als der Krieg ausbrach – wo sie genau war und welcher Schrecken in ihr Leben einbrach. Viele Tränen sind geflossen – bei ihnen, die erinnerten und erzählten – genauso wie bei mir, die ich zuhörte. All diese Tränen waren voller Traurigkeit und Entlastung für uns selbst. Aber auch eine ganz persönliche Botschaft an andere – auch an Gott.

Denn Tränen sind Gebete ohne Worte. Und auf diese Gebete antwortet Gott. Die Bibel erzählt, wie Gott einmal dem kranken König Hiskia antwortet: „Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Siehe, ich will dich gesund machen“ (2. Könige 20,5).

Tränen sind Gebete ohne Worte. Und sie halten die große Hoffnung fest, dass das Weinen einmal ein Ende haben wird. Bis dahin sammelt Gott alle Tränen. Eine Schale voll Wasser – sie steht für die gesammelten Tränen durch die Zeit. Verbunden mit biblischen Erfahrungen, die davon erzählen, dass Gott es nicht egal ist, wenn wir voller Trauer sind und unsere Tränen weinen.

Wenn aber er es ist, der unsere Tränen sieht, dann heißt das: jede Träne, jeder Mensch ist ihm wertvoll und wichtig. Jeder und jedem ist er nahe, in der Trauer, in der Not, bei jedem Abschied, bei jeder geweinten Träne. Gott sammelt alle Tränen in seinem Krug (Psalm 56,9). Keine geht verloren. Sie sind Gebete ohne Worte. Und halten die große Hoffnung fest, dass das Weinen einmal ein Ende haben wird, so wie es ganz am Ende der Bibel steht: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“ (Offenbarung 21,4). An diesen Gott will ich glauben!

Marion Greve