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Glücklich ist, wer Herz zeigt

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lukas 6,36)

Das sagt sich leicht und klingt gut. Aber was meint Jesus damit? Allein schon das Wort ist selten in unserem täglichen Sprachgebrauch zu finden. Ist Barmherzigkeit veraltet?

Die Geschichte eines Mannes machte mir das Gegenteil deutlich: Seit Tagen saß er mit seinen aufgestapelten Rechnungen am Küchentisch. Es waren nur Rechnungen von ganz normalen monatlichen Kosten, nichts Besonderes. Er sparte, wo er konnte, und kaufte sehr preisbewusst ein. Aber die Summe, die sich aus den Rechnungen ergab, war zu hoch. Er war in Kurzarbeit und es reichte einfach nicht. In der Nacht war an Schlaf nicht zu denken, und am nächsten Morgen rechnete er noch einmal alles durch. Es änderte sich nichts. Wie sollte er das schaffen?

Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, er griff zum Telefonhörer und rief seinen Vermieter an: „Ich schaffe es mit der Miete nicht, jetzt in der Kurzarbeit fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.“ Es herrschte einen Moment Stille am anderen Ende der Leitung. Dann hörte er: „Bezahlen Sie in diesem Monat eben so viel, wie Sie können. Den Rest überweisen Sie in den nächsten Monaten. Jetzt sehen Sie erst einmal zu, dass Sie über die Runden kommen. Sie haben Glück. Im letzten Jahr haben wir das Mietshaus abbezahlt. Wir müssen selbst keinen Kredit mehr bedienen.“ Staunend spürte der Mann eine Befreiung, und tiefe Dankbarkeit machte sich in ihm breit.

Barmherzigkeit ist eine starke Emotion: Es rührt mich in meinen Gedärmen, in meinem Innersten, so könnte man es übersetzen. Ich bin zutiefst bewegt von dem, was meinem Gegenüber geschieht. Ich will mich ihm zuwenden und mich seiner Not annehmen.

Da gibt es nur noch eine Möglichkeit: Ich zeige Herz. Barmherzigkeit schenkt Zukunft und eröffnet neue Möglichkeiten. Gottes Ordnung zeigt sich darin, dass sie Wege in die Zukunft öffnet, den Weg nach vorn und nicht den Weg zurück.

Gottes größte Barmherzigkeit zeigt sich in Jesus Christus: Gott hat sich von uns Menschen so im Herzen berühren lassen, dass er seinen Sohn in die Welt schickte.  Wir können auf das schauen, was Gott durch Jesus in seinem Leben gemacht hat. Jesus handelte barmherzig. Sein Leben, seine Taten und Worte geben uns Beispiele. Wir sollen Jesu Taten nicht einfach kopieren, aber sie können uns inspirieren, wie „barmherzig sein“ gehen kann.

In der Bergpredigt heißt es: „Glücklich sind die, die barmherzig sind. Denn sie werden barmherzig behandelt werden.“ Eine Weisheit, die man im eigenen Leben spüren kann: Wenn du dich einsetzt für andere, dann wirst du glücklicher. Dann kommst du eher heraus aus traurigen Gedanken oder aus deinen Sorgen. Oder aus der Langeweile. Wenn du dich nicht nur um dich selbst drehst, sondern anderen hilfst, wird dein Leben einfach spannender.

Wer Barmherzigkeit zeigen will, braucht allerdings eine Kraftquelle, um nicht auszubrennen, denn Barmherzigkeit kostet Kraft. Gott wird in der Bibel immer wieder als barmherzig beschrieben, indem er sich jedem einzelnen – auch nach Versagen und Fehlern – liebevoll zuwendet, weil sein Herz für uns schlägt. Er ist diese Kraftquelle, die wir immer wieder anzapfen können.

Glücklich ist, wer auch mit sich selbst barmherzig sein kann, sich die eigenen Schwächen verzeihen kann und den anderen das Anderssein. Glücklich ist, wer Herz zeigt.

Den Mut dazu wünsche ich uns allen!

Karin Pahlke