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Geburtstagskuchen

Denn Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern schenkt uns den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2. Timotheus 1,7).

Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Mit Pfingsten wurde ein neuer Anfang gesetzt. Dieser Anfang war gewaltig, ein aufstörender erster Geburtstag:

Plötzlich geschah ein gewaltiges Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen. Und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen wie der Geist ihnen gab auszusprechen. (Apostelgeschichte 2,2-4)

Wir feiern den Geburtstag der Kirche. Vorweg muss aber gesagt werden: Kirche bedeutet dabei nicht die Organisation, Institution oder das Gebäude. Pfingsten gilt weder als das Fest, an dem das erste Landeskirchenamt eröffnet wurde, noch wurde an Pfingsten die erste Kathedrale eingeweiht. An Pfingsten geht es um Menschen, die vom Heiligen Geist erfüllt wurden und daraufhin von Jesus Christus erzählen konnten. Sie bildeten zusammen eine Gemeinschaft, eine Geistgemeinschaft. In all ihrer Unterschiedlichkeit waren sie verbunden durch den Heiligen Geist. Pfingsten ist die Geburt dieser Geistgemeinschaft.

Jede Geburt bringt etwas vollkommen Neues hervor. Und jeder Geburtstag erinnert daran. Also. Wir feiern den Geburtstag der Kirche. Geburtstag feiern – das ist für Kinder etwas ganz Schönes, Besonderes und Wichtiges. Die Älteren tun sich manchmal mit dem Geburtstag feiern schwerer. Dabei ist und bleibt der Geburtstag – egal wie alt man wird – etwas ganz Besonderes: Es ist mein Anfang. Der Anfang meiner Lebensgeschichte auf dieser Welt. Beginnend mit diesem einem, besonderen Tag. Ich wurde geboren.

Das heißt – jeder Geburtstag erinnert mich daran: ich „verdanke mich“, bin nicht aus mir selbst. Ich verdanke mich anderen Menschen – meinen Eltern, Familie, Freunden. Ich verdanke mein Leben Gott, meinem Schöpfer. Aus der Fülle der möglichen Leben ist dies mein Leben. Wir gratulieren zum Geburtstag, weil wir uns darüber freuen, dass es den anderen gibt. „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst“, singen die Kinder in unserer Kindertagesstätte. Wir machen Geschenke, um dem anderen zu zeigen, dass wir ihn mögen.

In den Vereinigten Staaten durfte ich erleben, dass es dort die schöne Tradition gibt: Nicht das Geburtstagskind lädt die Familie, Freunde und Bekannte zu einem Fest ein, für das man vorher etwas gebacken, gekocht und den Tisch geschmückt hat. Stattddessen bereiten die Familie oder Freunde die Feier vor und holen das Geburtstagskind zu seiner eigenen Geburtstagsfeier ab. Eine sehr schöne Tradition – sie lässt uns den Gedanken erleben oder erfahren: nicht wir richten das Fest unseres Lebens aus, sondern wir sind eingeladen zum Fest unseres Lebens. Ganz konkret, aber doch auch in übertragener Bedeutung.

Ich habe dort bei einer Familie noch eine weitere, schöne Geburtstagstradition kennengelernt: Auf dem Geburtstagskuchen standen so viele Kerzen, wie das Kind alt geworden war. Die Mutter hat die Kerzen nacheinander entzündet und zu jeder Kerze, zu jedem Jahr eine kleine Geschichte erzählt.

Vielleicht hat sie später eher Fünfer-Abschnitte genommen. Aber die Idee dahinter finde ich gut: sich zu erinnern. Was macht mein Leben aus? Schöne Geschichten festzuhalten und sich zu erzählen. Freude und Dankbarkeit als Themen eines Geburtstages. Das gelingt sicherlich nicht immer, denn es gibt ja auch manches zu beseufzen und zu beklagen – aber dieses Ritual der kleinen Geschichte zu jedem Lebensjahr kann helfen einzuüben, das Gute, Stärkende in Erinnerung zu halten. Und zu feiern.

Heute feiern wir den Geburtstag der Kirche. Auch da gibt es Geschenke – das Geschenk des Heiligen Geistes.

Denn Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern schenkt uns den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2. Timotheus 1,7).

Wir erinnern uns heute an den Anfang. Damals entstand etwas Neues: Raus aus der Furcht, der Verzagtheit, der Müdigkeit. Die Jünger wurden beschenkt – mit Liebe, Kraft und Besonnenheit. Und so finden wir auch am Geburtstag der Kirche den Gedanken, geboren zu werden. Die Kirche ist keine Idee der ersten zwölf Jünger, sondern sie „verdankt sich“ vielmehr – ist ein Geschenk Gottes, ist Schöpfung Gottes. Als Kirche verdanken wir uns einem Geist, der aus der Furcht herausführte hin zu Liebe, Kraft und Besonnenheit – ein Geist, der Menschen verband, aufbrechen ließ. Menschen begannen miteinander zu teilen, was sie hatten.

Der Geburtstag unserer Kirche verweist uns – wie unser eigener Geburtstag – an den anderen. Wir allein können uns nicht genügen. Wer glaubt, alleine durchs Leben gehen zu können, der irrt. Um die Fülle des Lebens ausschöpfen zu können, brauchen wir andere Menschen um uns herum.

Der Geburtstag der Kirche stellt uns in die Gemeinschaft der Heiligen, in die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Wir feiern den Geburtstag der Kirche gemeinsam, in einer weltweiten Ökumene. Und so ist gerade Pfingsten eine gute Gelegenheit sich daran zu erinnern, dass wir untereinander verbunden sind durch den Heiligen Geist.

Es gibt so vieles, was uns voneinander trennt – weil wir ganz verschieden leben, unterschiedlich aufgewachsen sind. Unser Alltag ist so anders, auch unsere Probleme und Ängste sind verschieden. Aber: Wir alle leben von demselben Geist Gottes; dem Geist, der uns beschenkt mit Kraft, Liebe und Besonnenheit. Das ist die eine Kirche: Die Gemeinschaft der Glaubenden im Geiste Gottes, deren Geburtstag wir heute feiern.

Ich möchte noch einmal an die Geburtstagstradition erinnern, von der ich vorhin erzählte: Auf dem Geburtstagskuchen stehen so viele Kerzen, wie Lebensjahre gefeiert werden, und zu jedem Jahr, zu jeder Kerze wird eine kleine Geschichte, eine frohe Erinnerung erzählt. Lassen Sie uns heute einmal für den Geburtstagskuchen unserer Kirche Kerzen anzünden. Wir könnten 2022 Kerzen entzünden. Was für GesGeistchichten würden wir zu den Kerzen erzählen? Welche frohen, stärkenden Erinnerungen verbinden wir mit Kirche? Eine fröhliche Seniorenreise, eine tröstende Beerdigung, ein Besuch zur rechten Zeit?

Nehmen Sie sich Zeit, einen Moment zu bedenken, wofür Sie eine Geburtstagskerze anstecken möchten – eine dankbare, frohe Geschichte, die Sie mit Kirche verbinden. Vielleicht haben Sie Lust, sich in der Familie, am gedeckten Tisch diese Erinnerung, diese gute Erfahrung zu erzählen?

Silke Althaus