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Blick aufs Wesentliche

Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16,7)

„Den kenne ich doch – vom Sehen. Jeden Tag geht er hier vorbei. Er hat diese große Tasche dabei und im Winter immer eine merkwürdige Mütze auf dem Kopf. Recht zügig geht er seinen Weg, meist mit grimmigem Gesichtsausdruck. Er muss ein oder zwei Straßen weiter wohnen. Ich finde ihn komisch, nicht wirklich sympathisch.“

Kennen Sie auch solche oder ähnliche Gedanken? Manchmal ist die Überraschung allerdings groß: durch Zufall begegnet man sich, erst ein kurzer Gruß, beim zweiten Mal eine beiläufige Bemerkung und dann sogar ein Gespräch, echt nett und freundlich.

Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an: Ja, man kann sich ganz schön täuschen, wenn wir nur auf das Äußere sehen und daraus unsere Schlüsse über den Menschen ziehen. Wir reduzieren den Menschen auf Äußerlichkeiten und übersehen das, was ihn ausmacht: seine Fähigkeiten, seine Gefühle und Gedanken, seine Sorgen, seine ihm eigene Art zu leben. Unzählige Menschen vermarkten sich auf diese Art in den sozialen Netzwerken und hoffen auf viele Klicks und Likes, um daraus ihre Anerkennung und ihren Selbstwert zu finden.

Gott aber sieht das Herz an. Schon der Prophet Samuel hat das erlebt. In Gottes Auftrag sollte er aus acht Brüdern den neuen König für Israel salben. Für ihn war klar, dass es der Älteste sein würde. Er war gutaussehend, hatte Erfahrung und Führungsstärke, kein Zweifel. Aber falsch gedacht, den hatte Gott nicht im Blick. Auch nicht einen der weiteren sechs stattlichen Brüder.

Der Jüngste, David, sollte es sein. Fast noch ein Kind, ein Junge, den keiner für voll nahm. Er machte nach außen nichts her, hatte nichts vorzuweisen. Aber Gott sieht das Herz an. Gott urteilt ohne Ansehen der Person. Ihm ist es egal, ob wir cool rüberkommen. Klamotten, Auto, zahllose Likes, die Karriereleiter spielen keine Rolle für das Ansehen bei Gott. Er lässt sich davon nicht blenden.

Gott sieht unsere kleinen Herzen mit seinem Herzen, mit dem großen Herzen unseres Vaters im Himmel an. Er sieht die Angst, die Unsicherheit, die Traurigkeit, die Einsamkeit. Er sieht jeden so, wie er ist, als sein geliebtes Kind. Und er sieht, dass wir jemanden an unserer Seite brauchen, der das kennt und dafür Verständnis hat und uns darin nahe ist.

Gott sieht unser Herz und seine Liebe fließt aus seinem Herzen. So wie Eltern alles erdenklich Mögliche tun, damit es ihren Kindern gut geht, tut Gott das, was ihm möglich ist: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hingab. Jeder, der an ihn glaubt, soll nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,16). Gott lässt uns in sein Herz schauen, damit wir ihm unser Herz öffnen.

Vielleicht kann der Weg in den kommenden Wochen durch die Passionszeit hin zum Fest der Auferstehung ein „Herzensweg“ werden, ein Weg, der den Blick auf das Wesentliche lenkt, die Augen vor Leid und Tod nicht verschließt und so zum wirklichen Leben findet.

Karin Pahlke