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Raum für Hoffnung #1: Drinnen

So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN an ihren Platz in den innersten Raum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim. (1. Könige 8,6)

Was steckt drin in unseren Tempeln, in unseren Kirchen, unseren „Heiligen Räumen“? Was erwartet uns, wenn wir eintreten, Israel und uns? Das Zelt mit dem Kasten mit den Zehn Geboten, das Salomo in einer Prozession hineinbringen lässt: Es ist Israel in der Wüstenzeit vorangegangen – und auch zu Davids Zeiten noch immer wieder hervorgeholt worden. Es enthält die Gebote als Gottes Bedingung seines Bundes mit dem Volk. Wir halten uns daran, sagt Israel, du bist unser Gott, einer. Und dann alle die großen Worte, die ewigen Wahrheiten: Du mordest nicht. Du stiehlst nicht. Du redest kein falsches Zeugnis! Das gefällt mir!

Das war das eine, das andere aber an dieser Kiste war: Gott mit uns, voran im Kampf, die Bundeslade in den Kriegen des Volkes zur Wüstenzeit und auch noch im Land gegen die Philister vorneweg. Gott ist bei uns, damit wir die anderen besiegen. Das gefällt mir gar nicht!

Was erwartet uns jetzt? Jetzt kommt die Kiste an, findet ein Zuhause und wie mit der Bundeslade geht es mir mit dem Kreuz. Wir haben ihm Häuser gebaut. Zuerst steht es frei draußen, ein Folterzeichen der Schande, der Ohnmacht. Aber auch ein Zeichen des Trostes und der Hoffnung, dass der Tod nicht das Ende ist. In unserer Kreuzeskirche steht so eines: Unverdient in die Stadt der Kanonen und Bomben unseres letzten Krieges gebracht, das Versöhnungskreuz aus Coventry. Das gefällt mir.

Aber es dauerte auch am Anfang des christlichen Glaubens nicht mehr lange, bis aus dem Hoffnungszeichen etwas anderes wird und der erste Römer damit ins Feld zieht: Gott mit uns, das Kreuz ganz vorne im Krieg. Und das geht so durch die Menschengeschichte bis heute, die evangelische, katholische, orthodoxe. Das gefällt mir gar nicht.

Hat Gott überhaupt einen festen Wohnsitz? Und, wenn ja: Welcher Gott wohnt hier? Und wenn wir es denn ahnen, wenn wir es denn wissen, was fangen wir mit ihm an? Was wird aus uns in der Begegnung mit ihm?

In frommen Prozessionen haben die Bundeslade und das Kreuz ihren Weg in ein Haus gefunden. Ich denke, auch gerade in diesen Zeiten, lasst sie bloß drin und nicht raus, damit sie nicht schon wieder missbraucht werden, unsere Gebote und unser Kreuz. Dann lieber leiser werden und hier drin bleiben, und erst wenn wir den Weg sehen, merken, was Gott mit uns vorhat, erst dann wieder nach draußen gehen.  —

Die Zehn Gebote, das Kreuz, solche Sätze, solche Wahrheiten, solche Geschichte und solche Zeichen, sie brauchen in unseren Herzen und Köpfen einen Platz, an dem sie überdauern, die schlechten Erfahrungen überstehen, die wir im Leben draußen auch machen. Und sie brauchen darum Orte, an denen wir sie in der Welt aufsuchen können wie den Tempel und die Kirchen.

Die Bundeslade, sie ist in ihrem Zuhause angekommen, nie wieder wird sie zum Kriegführen hinausgebracht. Das gefällt mir. Und ich denke, stattdessen wird danach gefragt, was eigentlich drin steckt in dieser Kiste, was gut ist und was Gott mit uns vorhat. Hätten die Kiste mit den Zehn Geboten und das Kreuz kein Zuhause, wir müssten ihnen eines bauen.

Alexander Maurer
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Dieser Text ist der erste von drei Predigtimpulsen, die Pfarrer Alexander Maurer, Pfarrerin Anne-Berit Fastenrath und Presbyter Christian Hündlings für den Reformationsgottesdienst am 31. Oktober 2022 in der Essener Kreuzeskirche verfasst haben. Die zwei weiteren folgen in den nächsten Tagen. Textgrundlage war 1. Könige 8.