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Pessimismusfasten

Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um das Leben, was ihr essen sollt, auch nicht um den Leib, was ihr anziehen sollt. Denn das Leben ist mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung. (Lukas 12,22-23)

Schwarzsehen ist leicht: Nachrichten gucken, die Zeitung aufschlagen, die Nachbarin fragen, wie es ihr geht oder die Statistik der Gemeindegliederzahlen der letzten Jahrzehnte studieren. Dazu noch ein überzeugtes „Früher war alles besser!“ und die Gegenwart sieht düster aus, ganz zu schweigen von der Zukunft. Mein Lieblingsradiosender „Cosmo“ sendet jeden Morgen die „Daily Good News“, die täglichen guten Nachrichten, denn die gibt es ja auch! Doch die größte Aufmerksamkeit gilt nach wie vor den schlechten Nachrichten, den Katastrophen und den Niederlagen. Schwarzsehen ist leicht und hat einen größeren Marktwert.

Die Fastenaktion der Evangelischen Kirche setzt in diesem Jahr auf das Motto „Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus!“ Es geht darum, wenigstens für einige Zeit, all die Zukunftsängste und das Misstrauen zu überwinden. Es geht um die Lust, Hoffnung und Zuversicht zu entdecken. Schwarzmalerinnen und Pessimisten aufgepasst, denn das Glas ist noch mindestens halb voll!

Ich gebe zu, sieben Wochen ohne Pessimismus, das wird schwer für mich, denn das biblische Wort „Vom falschen und rechten Sorgen“ aus Lukas 12,22-28 ist für mich eines der schwierigsten. Im Sorgen bin ich nämlich prima und Trübsal blasen kann ich ziemlich gut. Draußen alles Grau in Grau, eine Melodie in Moll kommt aus dem CD-Player, in mir ein tiefes Seufzen – ach, es fühlt sich gar nicht mal schlecht an. Das „Sorget euch nicht!“, diese Aufforderung ist ja wahrscheinlich nicht ohne Grund gesagt. Denn Anlässe, sich Sorgen zu machen, gibt es wahrlich genug. Aber diese Sorgen sollen nicht mein Leben bestimmen. Es ist auch eine Frage der Perspektive, wie ich mit dem Schwierigen, dem Dunklen im Leben umgehe.

Keine Frage, es ist auch da und so manches will bewältigt werden, aus eigener Kraft, mit Hilfe von Freundinnen und Familie und am besten mit dem Grundvertrauen in eine Kraft, die wir Gott nennen und die uns durchs Leben trägt. Wichtig ist, das Positive und Hoffnungsvolle im Trubel des Alltags und im Glanz des Sonntages zu suchen und zu finden. Ein Satz, der mir vor die Füße gefallen ist, während ich eine Traueransprache schrieb: Es gibt den Schmerz und den Tod und das Scheitern, aber ihnen gehört nicht die Welt! Und diese Welt ist größer als der Klumpen aus Sorgen und Grau.

„Sorget euch nicht! Seht die Lilien auf dem Felde…“ sagt Jesus (Lukas 12,26). Er lenkt den Blick weg von mir selbst in die Welt der Botanik. Das ist spannend und gerade jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, absolut passend. Draußen alles Grau in Grau, kahle Äste, matschige Wege – doch die ersten grünen Spitzen der Zwiebelblumen gucken schon aus der braunen Erde. Ein neuer Aufbruch, ein Frühling kündigt sich an.

Und selbst dann, wenn der Frost noch einmal zuschlägt und einige Blüten erfrieren, der Frühling wird kommen. Kaum liegen die Weihnachtsbäume vertrocknet am Straßenrand und warten auf die Jungs von der Müllabfuhr, da leuchten zumindest in den Blumentöpfen vor der Haustür und auf den Küchentischen blühende Primeln und Tulpen. Für mich ist jede Blumenzwiebel das schönste Bild für Kraft und Zuversicht.

Sieben Wochen ohne Pessimismus, ich glaube, das kann doch etwas werden. Und für alle, die mehr davon brauchen: Blumen pflanzen, singen, tanzen, jemanden umarmen, die Abende zur Fastenaktion in unserem Markuszentrum besuchen, eine Bibel aufschlagen und hier lesen: Psalm 46; 62; 91; 121… viele Verse mehr; oder meinen Lieblingsvers „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7): Der war nämlich Tageslosung am Tag meines Zweiten Theologischen Examens.

Nele Winkel