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In einer WG mit Gott | In Zeiten von Corona #4

Der Herr deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes. (Psalm 27,5) – Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen: denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. (2. Korinther 12,10) | Herrnhuter Tageslosung für den 20. März 2020

„Mensch sein heißt: als Sterblicher auf Erden sein, heißt: wohnen“ – so der Philosoph Martin Heidegger. Und Antoine de Saint-Exypery meinte: „Vor allem bin ich einer, der wohnt“. Wohnen gestaltet unser Leben: zuerst im Mutterleib, dann in den vielen Wohnungen, die wir beziehen und uns zur Heimat machen und schließlich als Hoffnung, bei Gott eine bleibende Wohnung zu haben nach dem Tod.

Mit unseren Wohnungen verbinden wir Geborgenheit und Schutz, Sicherheit und Intimität. Keine Wohnung zu haben ist schrecklich – denken wir an das Schicksal der Flüchtlinge in aller Welt. In unwohnlichen Häusern leben zu müssen – wie Menschen in Favelas oder unter Brücken – entfremdet von sich selbst und von anderen.

Wir haben gute Wohnungen, Gott sei Dank  – aber diese werden vielen gerade zu gefühlten Gefängnissen. Wir erkennen die Notwendigkeit zur Quarantäne. Wir verstehen den Appell der Kanzlerin und aller anderen Politiker*innen zur disziplinieren Selbstisolierung in unseren Wohnungen. Die allermeisten befolgen ihn (hoffentlich) auch.

Doch verbinden wir zurzeit mit dem Zuhause-Bleiben nicht Geborgenheit und Schutz, sondern die beklommene Ahnung von bedroht Sein. An die Erfahrungen des Großen Krieges erinnerte die Kanzlerin gestern nicht ohne Grund.

Unsere Tageslosung erinnert an die Erfahrungen des Volkes Israel mit dem Wohnen. Wenn Israel Rückschau hält auf seine Vergangenheit, dann erinnert es sich nicht an Häuser, in denen es wohnte, sondern an Zelte, die es auf seinen Wanderungen mit sich führte und aufschlug, wenn es Rast machte. Was uns in den Überlieferungen Israels geschildert wird, ist die Situation der Unbehaustheit und des Unterwegsseins.

Diese Erfahrung prägt die Gottesvorstellung Israels: die Menschen zogen umher und ihr Gott zog mit ihnen mit. Wenn sie Rast machten, schlugen sie außerhalb des Lagers ein besonderes Zelt auf, das „Zelt der Begegnung“. Auch Gott machte dann Rast und bot den Menschen Gelegenheit, ihn zu befragen.

Wir wohnen zwar in festen Häusern, teilen aber derzeit das Gefühl der existentiellen Unbehaustheit; ja gerade unsere Wohnungen vermitteln sie uns durch den Zwang, sie kaum noch zu verlassen.

Was Israel mit Gott erlebt hat – das gilt auch für uns: Gott geht mit. Zurzeit dann wohl auch in Quarantäne, wo nötig. Gott ist dabei: wo Menschen das Glück haben, auf dem Balkon oder im Garten ein bisschen Freiheit zu genießen – aber auch da, wo Familien in engen Wohnungen verbleiben müssen und Langeweile echte Herausforderung ist.

Gott ist Mitbewohner in unseren Häusern und Wohnungen. Ja, auch ich bin „eine, die wohnt“ – derzeit in der WG mit Gott.

Die Erfahrungen Israels mit dem überall hin mitgehenden Gott laden uns ein, unseren erzwungenen Aufenthalt in den eigenen vier Wänden mit geistiger Beweglichkeit neu zu gestalten. Gott schlägt sein Zelt bei mir Zuhause auf und lässt sich befragen – und seine Antwort wird sein, wie seit alters her: Wenn du schwach bist, bist du stark.

Hoffnung, Zuversicht und Gottvertrauen helfen dabei, Depressionen und Verzweiflung oder auch Wut und Aggressivität – häufige Reaktionen aufs eingesperrt Sein –  in den Griff zu kriegen. Praktische Ideen zur Tagesgestaltung bieten die sozialen Netzwerke ja an, auch im Radio hörte ich heute Morgen zahlreiche Tipps, wie man sich sinnvoll beschäftigen kann, auch wenn man nicht vor die Tür geht. Mentale Stärke können wir von Gott erbitten, unserem Hausgenossen.

Bleiben Sie behütet.

Anke Augustin

Ein Gedanke zu „In einer WG mit Gott | In Zeiten von Corona #4

  1. Liebe Frau Augustin,
    Danke für die ermunternden und aufbauenden Worte von Ihnen in HIMMELRAUSCHEN. Das tut gut.

    Ihre Katja Wäller

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