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Gottes Like ist uns sicher

Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! (2. Könige 19,16)

„Sieh her, was ich schon kann!“ oder „Hör mir zu, ich will dir etwas erzählen!“ Für kleine Kinder ist es sehr wichtig, dass sie gesehen oder gehört werden. Stolz zeigen sie den Eltern, was sie neu gelernt haben oder sie erzählen den Großeltern, was sie erlebt haben.

Wer Aufmerksamkeit bekommt, fühlt sich wertgeschätzt. Das bleibt ein Leben lang so. Doch wenn Kinder größer werden, sind es nicht mehr die Eltern, die als Zuschauer*in oder Zuhörer*in gefragt sind, wichtig ist jetzt, wie die anderen einen wahrnehmen. Sehen sie mich so, wie ich gerne gesehen werden will? Werde ich gesehen oder eher übersehen? Werde ich gehört oder zählt meine Stimme nicht? Auf der Suche nach der eigenen Identität ist die Frage, ob und wie man gehört und gesehen wird, ganz zentral.

Gehört und gesehen werden per Video, das ist nichts für jede und jeden. Viele Jugendliche haben ihre Kamera in den digitalen Schulstunden und auch im Konfi-Unterricht per ZOOM lieber nicht eingeschaltet. Die Nutzung von Social Media-Programmen hat in der Zeit der Pandemie jedoch sehr stark zugenommen und das nicht nur unter Jugendlichen. Wer hier gehört und gesehen werden will, der sollte möglichst originelle und interessante Posts von sich veröffentlichen, denn wer gut rüberkommt und eine gute Figur macht, darf auf viele Likes hoffen.

YouTuber*innen und Influencer*innen haben einen großen Einfluss vor allem auf die junge Generation. Aber auch immer mehr Erwachsene folgen Social Media-Stars. Manche von ihnen haben mehrere Millionen Follower, Menschen, die sich täglich die neusten Videos, Fotos oder Kommentare anschauen, die ihre Idole von sich öffentlich machen. Das können Videos aus dem letzten Urlaub sein, Schmink- oder Gesundheitstipps, Fotos vom Essen, das sie sich selbst gerade gekocht oder im Restaurant bestellt haben oder auch ein Selfie im neusten Outfit.

Auch in privaten Chats posten junge Menschen gerne solche Details aus ihrem Leben und dabei achten sie sehr darauf, möglichst vorteilhaft zu erscheinen. Bei den meisten YouTuber*innen und Influencer*innen fällt auf, dass alles perfekt, ja manchmal auch gestellt wirken. Sie sind immer gut drauf und strahlen Glück und Erfolg aus. Natürlich hat die Werbeindustrie längst diesen Markt für sich entdeckt. Als Influencer*in kann man tatsächlich jede Menge Geld verdienen und viele Kinder sehen darin sogar ihren späteren Traumberuf.

Vor kurzem beim Einkaufen hörte ich ein Gespräch zwischen zwei Müttern. Eine erzählte vom diesjährigen Strandurlaub mit der Familie. Ihr Mann sollte ein schönes Foto von der Kleinen und ihr machen. Sie wollte unbedingt ein idyllisches Familienfoto vom Urlaub am Strand einstellen. Die ersten Aufnahmen scheiterten alle am Verhalten der Kleinen: Entweder sie schaute gerade weg, gähnte oder zog eine Grimasse. Kein einziges Bild war zu gebrauchen. Doch je mehr die Mutter sich mühte, die Kleine gut zu positionieren, desto unwilliger wurde sie natürlich und irgendwann nörgelte sie nur noch rum. Da für die nächsten Tage Regen angekündigt war, wollte es die junge Mutter aber unbedingt weiter versuchen.

Ihrem Mann ging das irgendwann gegen den Strich und es entbrannte ein heftiger Streit. Da wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich selbst unter Druck setzte, um mit den anderen entspannt wirkenden Familien bei den geposteten Urlaubsfotos mithalten zu können. Schließlich haben sie am nächsten Tag ein Regenbild mit der Kleinen am Strand gemacht, auf dem sie aber über das ganze Gesicht strahlt. Die vielen bedauernden Kommentare über das schlechte Wetter waren der Mutter dann egal.

Es kann Menschen unter Druck setzen, wenn sie sich mehr und mehr von den Likes anderer abhängig machen, um mit sich selbst zufrieden zu sein, um sich selbst zu mögen. Auch wenn das Leben für uns scheinbar nur Regentage bereithält, auch wenn wir meinen, mit anderen nicht mithalten zu können, eben in vielen Erwartungen nicht zu genügen: nicht modisch genug, nicht dünn genug, nicht sportlich genug… bei Gott genügen wir immer und brauchen uns nicht unter Druck zu setzen. Bei Gott sind wir angesehen, nicht nur, wenn wir uns von unserer Schokoladenseite zeigen. Bei Gott brauchen wir nichts verschweigen, dürfen auch zu unseren Schwächen stehen, denn was auch immer wir ihm von uns zeigen oder erzählen, sein Like ist uns sicher.

Susanne Gutjahr-Maurer