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Der Ruf gilt uns

Fürchtet euch nicht! Jesus lebt. Er ist auferstanden. (Markus 16,6)

Es war ein fürchterlicher Tag gewesen, den die Frauen, den Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome erlebt hatten: Die Verurteilung und dann die Kreuzigung ihres Freundes Jesus. Der Tod des Menschen, den sie so sehr liebten und den sie dann so schrecklich leiden sahen und verloren glaubten. Es war dunkel in ihnen drinnen und dann wurde es Nacht. Der Schlaf ist zwar irgendwann gekommen, hat aber keine Erholung gebracht.

Sobald es möglich ist, im ersten Morgenlicht, machen die Frauen sich auf, um etwas zu tun, was ihren Schmerz vielleicht ein wenig lindern kann – ihrem Freund einen letzten Liebesdienst erweisen. Sie wollen seinen Leichnam salben, um ihn gebührend für die Totenruhe vorzubereiten. Aber dann – da stimmt etwas nicht. Erneute Verunsicherung, Angst, Unruhe. Zunächst sehen sie nur, dass jemand das Grab geöffnet hat. Sie gehen hinein ins Dunkle, voller Angst und Entsetzen. Der Leichnam ist verschwunden – welch eine Schändung. Schwerer kann das Herz nicht mehr werden…

Und dann geschieht das Unerwartete: Grelles Licht umfängt sie. Nicht warm, eher verstörend. Gleißend. Das Licht macht alles auf einen Schlag hell. Die Dunkelheit hat keine Chance mehr. Die Frauen sehen eine leuchtende Gestalt und sie hören die Stimme des Engels: „Fürchtet euch nicht! Jesus lebt. Er ist auferstanden.“ Auf einen Schlag, in einer Sekunde – alles hat sich geändert. Noch nicht zu begreifen. Noch nicht zu erfassen. Noch eher erschreckend als heilsam. Und doch: die Wende ist da. Der Wandel vom Dunkel ins Licht, von der Trauer zur Freude, von der Verzweiflung zur Hoffnung.

Für mich ist diese Erinnerung an diesen ersten Ostermorgen in jedem Jahr eine Stärkung und eine Freude. Licht, das sich um uns und in uns ausbreiten will. Ein Geschehen, das uns zeigen will, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, auch der Tod nicht: „Fürchtet euch nicht! Jesus lebt. Er ist auferstanden.“

So war es. So bleibt es. Immer.

So war es auch im letzten Jahr, am Anfang der Corona Krise. So ist es auch in diesem Jahr, in dem wir noch mitten im Infektionsgeschehen sind. In einer Zeit, in der das Ende der Pandemie noch nicht in Sicht ist, aber Hoffnung aufschimmert. Mitten in all den Katastrophen, die uns umgeben, mitten in der Pandemie, ist der Ruf auch an uns gerichtet: „Fürchtet euch nicht! Jesus lebt. Er ist auferstanden.“

Der Ruf gilt uns. Er soll uns nicht erschrecken, sondern aufwecken, munter machen, an unsere Hoffnung erinnern. Obwohl wir müde und erschöpft sind von der Pandemie, die uns umgibt. Von den Krisen und Kriegen in aller Welt. Von Tod und Vertreibung. Und vielleicht auch von persönlichen Problemen, von Ängsten, von Ungewissheit, von Trauer.

Das Licht zeigt uns, dass es etwas gibt, das stärker ist als all das Traurige, Bedrohliche und Dunkle in unserem Leben. Da ist etwas, das unser Leben zum Leuchten bringen kann. Das alles andere überstrahlt. Das leuchten kann in aller Dunkelheit – die Liebe Gottes ist immer da. Nichts kann uns von ihm trennen. Auch der Tod nicht.

Nicht Hoffnungslosigkeit oder Ohnmacht sollen uns leiten, sondern die Gewissheit, dass Gott mit uns geht. Jeden Tag. Jeden Weg. Auch durch die schwierigsten Zeiten.

Dass das nicht einfach ist, dass es immer wieder Zweifel gibt, zeigt sich schon bald nach Jesu Auferstehung. Der ungläubige Thomas ist das erste Beispiel. Aber schon Thomas hat es erfahren, regelrecht begriffen. Und auch wir dürfen sicher sein: Wenn wir festhalten am Glauben und in der Hoffnung bleiben, wird uns die Liebe Gottes immer wieder erreichen, unseren Weg beleuchten und wärmen. „Fürchtet euch nicht! Jesus lebt. Er ist auferstanden.“

Helga Siemens-Weibring