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Macht hoch die Tür

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt; der halben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat. (Georg Weissel 1642, Evangelisches Gesangbuch Nr. 1)

Es ist Advent, Zeit der Ankunft. Wir sind eingeladen, unser Leben zu öffnen, damit es heil werden kann. Dem Gebäck und vorweihnachtlichen Treiben zum Trotz bleibt die Adventszeit eine Bußzeit, eine Umkehrzeit, eine Zeit, im eigenen Leben aufzuräumen, auszumisten, Platz zu machen. Unsere Gesellschaft hat den Sinn dafür weitgehend verloren, denn sie hat Weihnachten vorgezogen.

Heiligabend und die Weihnachtstage sind der Höhepunkt der Weihnachtssaison, die oft vollgepackt ist mit Terminen wie Weihnachtsfeiern, Ausflügen zu Weihnachtsmärkten, Überstunden im Weihnachtstrubel – und das alles im Advent. Die besinnliche Zeit, die Zeit des Nachdenkens und Überdenkens, die Zeit der Umkehr ist gestrichen – wenn denn überhaupt ist dies nur noch für die Tage um den Jahreswechsel und die Passionszeit, die Vorbereitung auf Karfreitag und Ostern vorgesehen.

Das Kirchenjahr hat aber nicht umsonst zwei Bußzeiten, Umkehrzeiten, Nachdenkzeiten im Jahr und das jeweils vor den großen Freudenfesten Ostern und Weihnachten. Gerade in unserer heutigen schnelllebigen, vollgestopften, angebotsüberreichen Zeit, in der mancher und manche nicht mehr weiß, wo ihr und sein Kopf ist vor lauter Reiz-überflutung, täte es uns gut, uns diese Zeit zu nehmen. Die Verschiebung der besinnlichen Zeit auf die Tage nach Weihnachten hebt die Reinigung des Herzens, das Öffnen des eigenen Lebens für das Wunder der Weihnacht auf – der „Hausputz“ an eigener Seele und eigenem Herz geschieht erst nach dem Wunder. Der besondere Gast, der König, wie unser bekanntes Adventslied es besingt, er kommt in ein unaufgeräumtes, gehetztes Haus, bei dem die Türen nur einen Spalt offen stehen.

Es ist an uns, unser Leben zu ordnen. Es ist an uns, nicht zu jedem Termin „Ja“ zu sagen. Es ist an unsn „Advent“ Advent zu nennen und Weihnachten in der Heiligen Nacht beginnen zu lassen. Ich bin mir sicher, wenn wir dies beherzigen, dann profitiert unser Leben davon.

Denn dann haben wir bis Heiligabend unser Leben mit seinen sonnigen und seinen schattigen Seiten, mit unseren guten und unseren schlechten Taten bedacht, dann wird uns bewusster werden, was es bedeutet, dass Gott uns so sehr liebt, dass er als kleines Menschenkind zu uns Menschen kommt.

Er bringt uns „Heil und Leben“, indem er uns darauf stößt, was wirklich im Leben zählt: zu lieben und geliebt zu werden. Und diese Liebe findet ihren Ausdruck nicht in Geld oder Macht, sondern in gelingenden Beziehungen. Wenn wir das Tempo aus der Adventszeit rausnehmen, wenn wir unsere Erwartungen reduzieren und uns aufs Wesentliche konzentrieren, dann wird aus weniger mehr.

Ganz so, wie das Kind in der Krippe mehr König ist als alle Mächtigen dieser Welt zusammen – denn wer das Herz am rechten Fleck hat, kann wohl kaum verneinen, dass die Liebe zu und die Faszination über ein neugeborenes Kind jedes Staunen über königlichen Protz schlägt. Und so schenke Gott uns allen eine besinnliche Adventszeit.

Martin Keßler