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Nimm mal frei

Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. (Jesaja 40,28)

Ich stöbere für mein Leben gern in Buchhandlungen. Ich könnte ganze Tage dort verbringen. Ganz besonders gerne besuche ich die Kinderbuchabteilung, vielleicht, weil ich Erzieherin bin, vielleicht, weil ich Oma bin. Und da bin ich auf ein ganz erstaunliches Bilderbuch gestoßen. Es heißt: „Jesus nimmt frei“ von Nicholas Allan.

Die Geschichte ist denkbar einfach: Jesus läuft gerade auf einen Burnout zu. Das Wunderwirken und Geschichten erzählen macht ihm keine Freude mehr. Es gelingt ihm auch nichts mehr. Jesus geht zum Arzt, der ihm einen Tag Auszeit verordnet. Und Jesus nimmt sich tatsächlich frei. Er übt Radschlagen in der Wüste, jongliert mit dem Heiligenschein und schwimmt eine Runde im See. Er reitet auf einem Esel und picknickt unter einer Palme. Er genießt das alles, hat aber am Ende des Tages ein schlechtes Gewissen. Was hat er doch alles verpasst an guten Taten, die er hätte tun können?

Er geht zu seinem Vater und klagt ihm sein Leid. Gott lässt ihn zurück auf die Erde blicken: Sein Radschlagen hat Quellen in der Wüste entspringen lassen, sein Schwimmen bescherte den Fischern einen großen Fang. All sein „nutzloses“ Tun hat auf der Erde viel Freude und Farbe hervorgerufen. Da ist Jesus wieder glücklich, kann in der Nacht prima schlafen und am nächsten Tag wieder gestärkt seine Aufgaben wahrnehmen.

Eigentlich ist dieses Kinderbuch ein Erwachsenenbuch. Denn Kinder im Bilderbuchalter kennen keinen Burnout. Sie strotzen vor Energie und Lebensfreude. Sie entdecken die Welt und nehmen sie in Besitz, voller Stolz auf ihr eigenes Können. Im Laufe unseres Lebens geht das fast allen verloren. Das Leben wird ernster, die Verantwortung größer. Es wird schwerer, sich mal frei zu nehmen.

Schaffen Sie es noch, einen ganzen Tag mit Nichtstun zu verbringen? Glückwunsch, da beneide ich Sie drum. Meist rappelt es in meinem Kopf, dass ich doch bitte etwas Sinnvolles tun soll. Das habe ich so gelernt. Dabei können wir das unermüdliche Schaffen Gott überlassen. Der HERR ist Gott der ganzen Welt. Er hat die Erde geschaffen bis hin zum äußersten Rand. Er wird nicht müde und nicht matt (Jesaja 40,28).

Dieses unermüdliche Schaffen hat nichts mit uns Menschen zu tun. Das ist göttliche Kraft. Aber Jesus wird der Menschensohn. Das Kinderbuch entwickelt eine eigene Geschichte um ihn. Mit sehr menschlichen Eigenschaften wird er beschrieben, müde und erschöpft. Seine Kräfte sind endlich, sein Tank muss wieder aufgefüllt werden; wie bei allen Menschen. Gott ist der Doktor, der den freien Tag verordnet. Sein Menschensohn vertraut ihm und handelt nach seinen Anweisungen. Und siehe – alles wird richtig.

Auf Gott zu vertrauen, seine Anweisungen zu befolgen, ist im Durcheinander der verschiedenen Anforderungen an uns gar nicht so einfach. Deshalb erdet mich so ein Herunterbrechen von wichtigen Erkenntnissen auf ein Bilderbuchformat. Da wird nur die Essenz des Ganzen wiedergegeben: Doktor Gott ordnet an, dass Jesus Pause braucht, um wieder zu sich selbst zu kommen und kreative Kraft zu haben, Gott fügt, dass alles richtig ist. Ich brauche mitunter das Einfache, um den Stacheldraht überspringen zu können, der mich von der weiten Wiese trennt. Nimm mal frei.

Annette Höfer