Gedenke, Gott, an deine Barmherzigkeit. (Psalm 25,6)
Die Passions- oder Fastenzeit hat begonnen. In „normalen“ Jahren ist das eine Zäsur: Nach der Freude der Weihnachtszeit und der Fröhlichkeit des Karnevals folgen sieben Wochen der Stille und Einkehr, an denen wir uns auf Ostern vorbereiten und bedenken, was Gott durch seinen Sohn hier bei uns Menschen bewirkt hat. Der bewusste Verzicht auf Liebgewordenes und Gewohntes gehört für viele Menschen dazu.
„Fasten“ kommt vom altdeutschen Wort „fastan“ und bedeutet „sich fest machen“. Der Verzicht zum Beispiel auf Süßigkeiten, das Glas Wein oder Fleisch soll das Bewusstsein dafür schärfen, wie weit wir uns durch sorgloses Konsumieren von Gott und unseren Mitgeschöpfen fortbewegen. In den Momenten des Verzichts können wir uns wieder neu für Gott öffnen und unsere Beziehung zu ihm festigen. Fasten bedeutet auch, dass ich mich selbst festigen will, stärken. Meine Kraftquellen durch bewusstes Verhalten wieder volltanken möchte. Gott als meine Kraftquelle gerade in den ungewohnten Momenten neu entdecken.
Doch wie ist es in diesem Jahr? Wir befinden uns in einer kontinuierlichen Periode der Einschränkungen und des erzwungenen Verzichts: keine kulturellen Veranstaltungen, Konzerte, Besuche, geschlossene Restaurants und Geschäfte, kaum Gemeinschaft, keine Gruppen, Chöre, Gottesdienste. Ist da weiterer Verzicht das richtige Mittel? Was können wir unternehmen, um bewusste Momente zu erleben, die uns aus unserem Alltag herausführen, die uns öffnen für Gott? Augenblicke, die uns stärken in unserem Leben?
Die Fastenaktion der evangelischen Kirche „7 Wochen ohne“ schlägt dazu „Sieben Wochen ohne Blockaden“ vor. Zum zweiten Sonntag der Passionszeit, der die Barmherzigkeit in den Mittelpunkt stellt, fällt mir dazu der Refrain eines Liedtextes von Ute Spengler ein: „Du schenkst mir Gnade und Barmherzigkeit. Ich will tanzen, Herr, vor dir.“
Vielleicht ist das ein Weg, um in einer Zeit ohne Musik und Gesang besondere, bewusste Momente zu schaffen, die mich für Gott öffnen und die mir eine neue Freiheit in einer von Beschränkungen bestimmten Zeit ermöglichen: Vor Gott singen und tanzen. Allein. Fröhlich. Laut. Ohne mich zu bremsen. Selbstverständlich und selbstbewusst:
„Ich will tanzen, Herr, vor dir.“
Ich werde es probieren. Sie vielleicht auch?
Aus Psalm 25:
Zu dir, Gott, trage ich, was mir auf der Seele liegt. Mein Gott, auf dich vertraue ich. Zeige mir deine Wege, Herr, und lehre mich, deinen Pfaden zu folgen. Lass mich nach deiner Wahrheit leben und lehre mich. Denn du bist es, Gott, der mir hilft. Auf dich hoffe ich den ganzen Tag! Denk an deine Barmherzigkeit und Güte! Du meinst es doch gut mit mir, Gott. (aus Psalm 25 in der Übersetzung der neuen BasisBibel)
Wir beten:
Gott, wir bitten dich, zeige uns Menschen immer wieder neue Wege und Ideen, wie wir deine Gnade und Barmherzigkeit erfahren können. Begleite uns in der Pandemie und schütze alle, die für andere da sind in dieser Zeit. Hilf, dass wir die nicht vergessen, denen es auf unserer großen Welt viel schlechter geht als uns. Hilf uns als deiner Gemeinde, auch in diesen Zeiten unsere Fröhlichkeit zu behalten und mit Ernsthaftigkeit deinen Willen zu verkündigen. Amen.
Helga Siemens-Weibring