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Psalm 23 – randvoll mit Segen

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. (Psalm 23,1)

Psalm 23 entstammt dem hebräischen Teil der Bibel und wir leihen uns mit ihm Gebetsworte Israels. Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn jemand heute einen Psalm auswendig kann, dann ist das Psalm 23! Es gibt wohl keinen Text in der Bibel, der bekannter ist als dieser. Er ist die Quelle für unzählige Bilder und Skulpturen, obwohl er mehr ist als ein schöner Gedanke. Er ist schön anzuhören, aber er ist viel mehr als Poesie.

Wir zitieren ihn bei Jubiläen, obwohl er von solchen Anlässen gar nicht handelt. An Gräbern lesen wir ihn vor, obwohl er gar nicht von Trauer spricht. Ganz im Gegenteil: Psalm 23 lädt uns ein zu einem völlig neuen Lebensstil. Er handelt davon, in der Gegenwart eines Gottes zu leben, der mehr Liebe für uns bereithält, als wir uns jemals vorstellen können. In ihm geht es um Sicherheit und Geborgenheit, um Lebenssinn und Hoffnung, um Freude und Sorglosigkeit mitten in einer unruhigen Welt. Er handelt davon, dass wir ruhig und gelassen bleiben können, auch dann, wenn uns Vieles bedrängt.

Psalm 23

Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Dieser wunderbare Psalm beschreibt einen tiefen Frieden, der uns auch dann noch feiern lässt, wenn Feinde, Krankheiten und Sorgen vor der Tür stehen. Er redet davon, wie sich Zeiten der Krisen in Augenblicke einer tiefen Gotteserfahrung verwandeln können. Dieser Psalm ist randvoll mit Hoffnung, Freude und Liebe – randvoll mit Segen!

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ – wenn wir die Worte selbst sprechen, so wie wir es gerade getan haben, dann ist das so, als ob wir uns selbst Segen zusprechen würden. Wir sagen: Ja, und ob ich schon wanderte im finsteren Tal – mein Leben ist gesegnet!

Ich weiß nicht, ob Sie bereits Situationen in Ihrem Leben hatten, in denen Sie das Gefühl nicht loswerden konnten, durch ein finsteres Tal zu gehen. Wir alle wissen, diese Phasen gibt es – im Beruf und privat, in der Familie und im Freundeskreis.

Ich denke daran, wie weh es tut, jemanden gehen zu lassen, sie oder ihn nicht mehr begleiten zu können. Einen Menschen loszulassen, mit dem wir lange Zeit eng verbunden und gemeinsam unterwegs waren. Gerade, wo es um die Trennung von nahen Verwandten und Freunden geht, möchten wir ihnen noch ein gutes Wort auf ihren Weg mitgeben. Ein Wort, das die Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass alles gut wird, dass wir in Verbindung bleiben. Die Worte aus Psalm 23 sind für mich solche Hoffnungsworte: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“

Wer sich die Worte dieses Psalms selbst zuspricht, nimmt ernst, dass unser Leben bedroht ist, gefährdet und zerbrechlich. Dass es neben den grünen Auen auch tiefe Täler gibt. Dass wir darauf angewiesen sind, dass uns jemand begleitet, jemand, der dem Dunklen etwas entgegen zu setzen hat. Und es ist die eine Botschaft, die allen Psalmen zugrunde liegt, mit der Psalm 23 auf unsere Gebete antwortet: dass Gott dich behütet.

Die Segensworte des 23. Psalms, wie oft mögen sie uns schon getröstet haben? Wie oft gingen uns diese Worte durch den Sinn?

„Der Herr ist mein Hirte – mir wird nichts mangeln er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser“ – dass unser Leben bewahrt wird, darüber verfügen wir natürlich nicht. Das haben wir nicht im Griff, wie viele Lebens- und Unfallversicherungen wir auch immer abschließen. Deshalb haben wir diese Zusage des Segens so nötig, den Zuspruch göttlicher Begleitung, bergenden Schutzes und bewahrender Nähe.

Und nicht umsonst versuchen auch Versicherungen dies in ihrer eigenen Sprache auszudrücken, die von diesen Bibelworten gar nicht so weit entfernt ist, z.B. „Immer da – immer nah“, Sie kennen das sicher.

Segnen im Griechischen heißt: eu-logein, gut Reden, im lateinischen bene-dicere, gut Sagen. Mit dem Segen ist es wie mit einer Karte oder einem Anruf: „Es war schön, dass wir uns heute gesehen haben.“ Vielleicht schreiben Sie auch lieber eine SMS oder eine WhatsApp-Nachricht: „Ich denke an dich, ich bete für dich, pass auch weiter gut auf dich auf!“

Nun wollen wir einen Moment innehalten und an die vielen Begegnungen in unserem Leben denken, gute und schlechte, krisenhafte und erfolgreiche, leichte und schwere. Psalm 23 erinnert daran: dass uns immer jemand in seinem Blick hat, buchstäblich ein Auge auf uns hat und sich um uns sorgt – egal, welche Erfahrungen wir mit Menschen, Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen in unserem Alltag machen. Dabei geht es nicht nur um unseren inneren Frieden, nicht nur um den je eigenen Frieden mit Gott. Sondern um einen Frieden im weltweiten, menschlichen Zusammenleben.

Ein altes Psalmgebet beginnt neu zu sprechen: es hat Gutes und Barmherzigkeit – es hat Gottes Segen im Sinn. Gottes Segen, das ist Gottes intensives Grüßen, Gottes freundliche Zuneigung, Gottes besorgtes Nachblicken. Gottes Segen, der drängt auch heute heraus aus dem Raum einer Kirche und hinein in unsere alltäglichen Lebenswelten.

Diesem Geist Gottes Raum zu geben, gehört zum Profil und Wesen unserer Dienste und Einrichtungen. Dabei hat der Segen Gottes immer ganz konkret mit Menschen zu tun, mit ihrem Glück und Unglück. Und das bedeutet ganz elementar: dass in unseren Häusern Zuwendung erlebt wird, Empathie, Beistand, ein Dableiben, Mit-Aushalten, Zuversicht geben, präsent Sein – mit Worten, mit Gesten, mit Gegenwart.

Segnen, das ist kein Privileg von Pfarrerinnen und Pfarrern oder überhaupt von kirchlichen Amtsträgern. Segnen ist ein priesterliches Tun, das allen Glaubenden aufgetragen ist. Wir können nicht garantieren, dass sich das Leben der gesegneten Menschen zum Guten wendet. Das erste Subjekt des Segens ist und bleibt Gott selbst. Aber Gott will nicht ohne uns Segen spenden und segensreich wirken. Sein Segen ergeht, indem wir segnen.

Wenn ich jetzt Amen sage, heißt das nicht, jawohl so ist es – sondern:
so möge es werden.

Amen.

Marion Greve