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Meine Alltagshelden

Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. (1. Thessalonicher 5,16-18)

Wer mit offenen Augen durch Feld, Wald und Stadt läuft, der kann sie entdecken, kleine bemalte – oft wunderschöne – Steine. Meinen ersten Stein habe ich im letzten Jahr während eines Urlaubs in der Nähe von Jever auf einem Friedhof entdeckt. Für mich ganz unerwartet, klemmte er da wischen zwei Baumwurzeln und strahlte mich an. Viel Mühe hatte sich der Künstler oder die Künstlerin gegeben und ich habe mich sehr gefreut. Ein unerwartetes Geschenk, einfach so von irgendwem an mich. So habe ich das damals gesehen und diesen Stein eingesteckt und seither liegt er in unserem Auto und erinnert an einen schönen Urlaubstag.

Wochen später dann der zweite Stein. Ein kleiner Schneemann war liebevoll gezeichnet worden und auch dieser Stein hat mein Herz erfreut, auch diesen Stein habe ich eingesteckt, allerdings nicht behalten, sondern meinem Mann mitgebracht, der Schneemänner liebt und an diesem Tag eine kleine Aufmunterung verdient hatte.

Dazwischen gab es mittlerweile noch andere Steine, die ich entdeckt, manchmal eingesteckt und wieder ausgesetzt habe, manchmal einfach lächelnd zur Kenntnis genommen habe. Immer wieder, wenn ich sie sehe, freue ich mich, dass es Menschen gibt, die einfach so anderen eine Freude bereiten wollen, eine kleine Botschaft weitergeben oder ein Lächeln zaubern möchten. Ganz wunderbar.

Und neulich beim Sonntagsspaziergang also wieder. Da lag er, der Stein, auf dem Rahmen eines Schaufensters. Nicht wirklich bemalt, aber beschriftet: Ein Dankeschön an alle Alltagshelden.

Ein Dankeschön. Weil ich mich nicht so richtig als Alltagsheldin fühle, habe ich diesen Stein dieses Mal ganz bewusst liegen lassen. Aber sie kamen mir alle sofort in den Sinn unsere Alltagshelden: Die Kassiererinnen und Verkäufer, die in diesen Wochen oft über ihre Kräfte hinausgegangen sind und trotz allen Stresses freundlich und zugewandt blieben, die Schwestern und Pfleger, alle Ärztinnen und Ärzte, die im Einsatz sind, sich täglich ganz bewusst mancher Ansteckungsgefahr aussetzen. Das Personal in allen Einrichtungen, wo Besuchsverbote gelten und viel Einsamkeit und Trauer aufgefangen werden muss, alle Kinder, die im Moment auf so viel verzichten und leider gar nicht unbedarft draußen spielen dürfen, die Großmütter und -väter, die nicht verwöhnen und kuscheln dürfen, alle die, die im Moment so tapfer verzichten oder ihrer Arbeit klaglos nachgehen. Danke an alle Alltagshelden…

Und nun mag man über diese Krise denken, was man will, dass sie schrecklich ist, ja, das ist sie; dass sie uns alle einschränkt und Verzicht fordert, ja, das tut sie; dass viel Leid durch sie entsteht, ja, das macht sie; aber, sie befördert auch Dankbarkeit.

In dieser ganzen Krise wird uns allen mehr als sonst bewusst, was wir im Alltag immer ganz selbstverständlich angenommen haben, wie normal es für uns ist, dass andere für uns da sind und schaffen, wie selbstverständlich es ist, dass wir uns in großer Freiheit bewegen und in der Regel auch immer alles vorrätig ist, wie sicher wir uns auf alles verlassen konnten.

Und diese Sicherheit, diese Selbstverständlichkeit hat Risse bekommen.

Helmut Schmidt soll gesagt haben: „In der Krise beweist sich der Charakter“. Wenn das stimmt, dann habe ich Hoffnung für uns alle, denn das hat diese Krise ja nun wirklich in vielen von uns ausgelöst: Dankbarkeit.

Der eine singt es vom Balkon, die andere klatscht es, die dritte schreibt es auf einen Stein zum Mitnehmen.

Danke, Dankbarkeit, Anerkennung.

Das Ganze ist auch christlich, sollte ein christlicher Wesenszug sein. Paulus schreibt es den Menschen in Thessalonich: Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.

Amen.

Friederike Seeliger