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Trauriger Tag – befreiender Tag

Denn Gott war in Christus  und versöhnte die Welt mit ihm selber… so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! (2. Korinther 5,19-20)

„Pack schlägt sich – Pack verträgt sich“ ist ein Spruch, den ich kenne und auch schon oft gehört habe, aber, das kann ich Ihnen versichern: so einfach ist das mit dem Streiten und vor allem mit dem sich hinterher versöhnen oft nicht. Ich glaube sogar, dass es  je älter man wird  immer schwieriger wird. Können im Kindergarten die besten Freunde und Freundinnen täglich wechseln, können Streitigkeiten vom Vormittag schon nach dem Mittagessen wieder vergessen sein, übrigens ohne dass viel darüber geredet wird, so scheint sich das mit zunehmendem Alter zu verkomplizieren.

Und hinzukommt, wenn ich mich so in der Gegend umhöre bzw. wenn ich lese, wie Menschen mittlerweile z.B. im Internet miteinander umgehen, dann ist der Umgangston ein recht rauer geworden und mancher schreckt noch nicht einmal davor zurück, was ich mit „unter der Gürtellinie“ bezeichnen würde. Ich glaube, wir wissen alle, wovon ich rede.

Also, obwohl ich, und das würde mein Mann sicher unterschreiben, eine ziemliche Krawallnudel bin, also schnell mal laut und ungehalten sein kann, so habe ich doch meine Schwierigkeiten mit Streitigkeiten, habe es am liebsten friedlich und bin leider  und vielleicht streite ich mich deshalb eigentlich nicht gern eher wie ein Elefant gestrickt, will sagen: ich habe ein viel zu gutes Gedächtnis, ich merke mir Verletzungen durch andere sehr genau und ich kann leider auch entsetzlich kleinlich sein.

Und damit meine ich jetzt nicht, dass ich nach dem Motto verfahre: wie du mir so ich dir – nein, so genau muss es in meinem Leben nicht ausgehen, sondern ich meine, dass, wenn ich eine Auseinandersetzung, einen Streit hinter mir habe, mit Entschuldigung und allem Pipapo, wenn dann der nächste Konflikt kommt – dann ploppt alles Vergangene wieder auf. Jedenfalls dann, wenn ich diejenige war, die verzeihen musste, also mir selbst Unrecht geschehen war. Man kann verzeihen, aber nicht vergessen, hat meine Ma manchmal gesagt – ich weiß nicht, ob alle Menschen so sind, aber ich vergesse wirklich schwer, wenn überhaupt.

Sich versöhnen: was für eine Aufgabe! Man muss miteinander sprechen, mindestens einer muss der anderen sagen oder zeigen, dass es ihm leid tut, dass er unter dem Streit leidet und es gern wieder gut machen will. Einer oder eine muss einsehen, dass etwas falsch gelaufen ist, man Unrecht auf sich geladen hat und um Vergebung bitten.

Manchmal müssen es auch beide, weil der Streit entglitten ist, es so lange gedauert hat, dass auch der andere verletzt hat. Und erst dann, wenn der Konflikt sozusagen auf dem Tisch liegt, erst dann kann man sich versöhnen, kann einer dem anderen verzeihen. Also: streiten und verzeihen, streiten und versöhnen, zwei ganz schwierige Aktionen bei uns Menschen, wenn sie mich fragen.

Bei Gott aber scheint das anders zu sein, ob es leichter ist weiß ich nicht, aber anders auf jeden Fall. Im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther heißt es:

Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. (2. Korinther 5,19-21)

Ja, so ist Paulus; Paulus spricht völlig gelassen so  unglaubliche Glaubensinhalte aus, dass ich manchmal ganz erschlagen bin – mag sein, dass es Ihnen da gerade ganz ähnlich geht.

Ich hatte gesagt, dass bei Gott alles ganz anders ist und sie haben es auch direkt im ersten Satz gehört: Gott versöhnte die Welt durch Christus mit sich selber. Eigentlich geht so etwas doch gar nicht. Wenn ich mit jemandem im Streit liege, dann hilft es doch gar nicht, wenn ich mich vorbehaltlos mit meinem Gegenpart versöhne, ohne dass der andere kommt, sich entschuldigt und ich dann erst nach Versöhnung suche oder aber ich mich entschuldigen muss und dann… zum Versöhnen gehören doch mindestens zwei, die das wollen, aber bei Gott ist das anders, bei Gott gelten andere Regeln, andere Gesetze, andere Möglichkeiten, bei Gott reicht es, wenn allein von Gottes Seite Versöhnung ausgeht.

Und weil das so ist, darum ist der Karfreitag, darum war schon der erste Karfreitag, an dem Gott seinen Sohn ans Kreuz nageln ließ, wohl einer der traurigsten und schrecklichsten Tage, die man sich vorstellen kann, aber für uns, für alle Christinnen und Christen auf der Welt, war es DER befreiende Tag schlechthin: Gott hat alles, wirklich alles, was zwischen seinen Kindern und ihm stand mit dem Kreuzestod seines Sohnes ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Unglaublich eigentlich, aber wahr.

Das heißt jetzt natürlich nicht, dass wir drauf los sündigen können und sollen, was das Zeug hält, nein, der Tod seines Sohnes ist kein Freibrief, aber es ist eine Versöhnung zwischen Gott und mir, ich darf mich ihm mit aller meiner Schuld nähern und er nimmt sie mir von den Schultern.

Das ist das Erste: ich wurde versöhnt mit Gott, ich werde versöhnt mit Gott. Das Zweite: Gott ist nicht kleinlich, er hat ganz bestimmt das Gedächtnis eines Elefanten, er merkt sich sicher alles von mir, das Gute und das Schlechte, das, was mir gelingt und was misslingt, aber, aber er trägt es mir nicht nach. Er rechnet es mir nicht bei jeder Kleinigkeit wieder vor, so wie ich das manchmal mache, wenn mein Herz klein wird, weil ich mich so verletzt fühle. Nein, so ist Gott nicht. Er rechnet uns unsere Sünde nicht zu. Wie befreiend, wie erlösend, das zu wissen!

Das Dritte: Wir sind aufgerufen Botschafter und ich ergänze mal Botschafterinnen zu sein. Das ist ja eigentlich eine Auszeichnung, Botschafterin zu sein, ein Ehren- Amt, finde ich und das will ich auch gern sein, und ich mag Sie auch alle gern dazu einladen, das zu sein.

Nicht nur heute, wo es uns besonders bewusst ist, sondern immer. Als Erlöste andere darauf hinzuweisen, sie einzuladen, sich Gott zu nähern, in Jesu Fußstapfen zu treten, alles Belastende abzugeben, versöhnt zu sein, für mich ist das die Freiheit eines Christenmenschen und die wünsche ich jedem und jeder.

Und noch etwas gibt es an diesem besonderen Tag, das uns froh und ruhig werden lassen kann: Wir dürfen nicht nur mit aller Schuld zu Gott kommen und sie sich von unseren Schultern nehmen lassen, sondern wir dürfen auch alles andere, was uns beschwert ans Kreuz legen. Unsere Sorgen und Ängste, die uns im Moment quälen, unsere Unsicherheiten, unsere Wünsche, dass dieser oder jener Kelch an uns vorübergehen möge, auch all das ist bei Gott gut aufgehoben, weil er selbst das alles durchgemacht hat und kennt: Sorgen und Ängste, Unsicherheiten, der Wunsch, nicht alles erleben und erleiden zu müssen.

Vielleicht ist das das Wichtigste: Gott weiß um unsere Not und wir dürfen darauf vertrauen, dass er uns nicht allein lässt, dass wir auch jetzt in und an seiner Hand sind.

Friederike Seeliger