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Ein Gruß zum Jahreswechsel

Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 21,6)

Meinen Gruß zum Jahreswechsel will ich zunächst mit einem dankbaren Rückblick auf das Jahr des Reformationsjubiläums beginnen: Obwohl Menschen mit der Kirche nicht mehr selbstverständlich etwas anfangen können, ist es uns gelungen, viele Essener Bürgerinnen und Bürger mit der Geschichte und den zentralen Anliegen der Reformation in Kontakt zu bringen. Dazu haben fast zweihundert Veranstaltungen beigetragen, die von engagierten Ehren- und Hauptamtlichen aus unseren Gemeinden, Diensten und diakonischen Einrichtungen geplant und durchgeführt wurden – ein starkes, ermutigendes Zeichen! Besonders hervorheben möchte ich auch die gelungene und wohltuende Zusammenarbeit über die Grenzen unserer eigenen Konfession und Religion hinweg – hier ist etwas gewachsen, das uns alle auf dem Weg des Miteinanders deutlich voranbringen wird. Und daran wollen wir im kommenden Jahr anknüpfen.

Der Dialog der Konfessionen und Religionen ist gerade hier in Essen, einer Stadt, in der sich Menschen aus so vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Traditionen begegnen, ohne Alternative – aber er braucht immer wieder neue Impulse. Beispielhaft für das interreligiöse Gespräch sind eine Vortragsreihe, die sich ab dem 11. Januar mit dem Wert der Freiheit und ihrer Bedeutung innerhalb der vier Weltreligionen Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam auseinandersetzt; Veranstalter sind die Universität und die Kirchenkreise Duisburg und Essen. Auch die Arche-Dialoggruppen, die der Initiativkreis Religionen Essen an mehreren Orten in der Stadt initiiert hat und weiter ausbauen will, bieten Räume für eine große Neugier und Offenheit; sie sind Lernorte der Toleranz und Hoffnungszeichen für ein friedvolles Zusammenleben in den einzelnen Quartieren und Stadtteilen. Wie tief und nachhaltig die Erinnerung an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren wirken wird, ist für mich nicht nur eine Frage des Jubiläumsjahres gewesen – sie bleibt unsere Aufgabe und gibt uns Kraft für die kommenden Monate und Jahre.

Wenn ich im Rückblick einen Anlass zur Dankbarkeit sehe, dann erkenne ich ihn trotz vieler beunruhigender Meldungen, die uns im Jahr 2017 wieder aus nah und fern erreicht haben – von den weltweiten Schauplätzen der fortdauernden Kriege, des Hungers und der Unterdrückung ebenso wie über Ereignisse in unserem Land und unserer Stadt oder in den oft nur vorgeblich „sozialen“ Netzwerken. Es stimmt mich nachdenklich und traurig, wenn Menschen in ihrem Innersten nicht nachempfinden können, welche verletzenden und zerstörerischen Folgen ihre Taten, Worte und Gesten des Hasses und der Herabwürdigung für ihre Mitmenschen haben. Deshalb freue ich mich über viele große und kleine Zeichen der Solidarität und der Mitmenschlichkeit, auf die ich immer wieder bei Begegnungen mit Ihnen und ganz oft in unseren Gemeinden stoße. Auch in den vergangenen zwölf Monaten habe ich zahlreiche Menschen getroffen, die sich nicht beirren lassen in ihrem Engagement und ihrer Hilfsbereitschaft für andere, in ihrer Zuwendung – und das ohne jedes Ansehen der jeweiligen Person.

Als Christin will mich die biblische Jahreslosung für das neue Jahr in dieser Haltung bestärken: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“ (Offenbarung 21,6). Der Durst, den ich persönlich mit diesem Wort verbinde, ist der Durst nach Leben – in all seinen Facetten und seiner Einzigartigkeit. Gott will unseren Durst nach Leben stillen, aus einer Quelle, die nie versiegt. Sein Quellwasser sprudelt, ob wir daraus schöpfen oder nicht. Wir müssen nicht dafür „bezahlen“. Doch ich bin sicher: Gottes Angebot gilt vor allem den Gezeichneten und den Verletzten, den Gescheiterten und Bedürftigen. Bedürftige: Das schließt letztlich alle Menschen ein, die sich – trotz eigener Fehler und Unzulänglichkeiten – um ihre Mitmenschen sorgen und unser Zusammenleben durch ihr Mitdenken und Mittun etwas friedvoller gestalten wollen. Dass Sie im neuen Jahr immer etwas von Gottes nie versiegender Quelle in ihrem Leben spüren mögen, das wünsche ich Ihnen deshalb von Herzen!

Marion Greve