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Das Wort vom Kreuz …eine Gotteskraft!

Gott hat ihn, der keinerlei Sünde getan hatte, an unserer Stelle zu einem sündigen Menschen gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit verkörpern, in eins mit Jesus. (2. Korinther 5,21)

Das Wort vom Kreuz ist eine Provokation! Und das seit fast zweitausend Jahren. Es provoziert Gelächter und Hohn, aber auch Einverständnis und Glaube. Worin liegt diese Provokation? Seit es Menschen gibt, beschäftigen sie sich mit der Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz. Was ist meine Aufgabe? Welche Gaben und Fähigkeiten habe ich? Wo gehöre ich hin? Was füllt mich aus? Wie gehe ich mit Scheitern um? Wo finde ich Heimat?

In unserer Zeit scheint das Bedürfnis, sich zu verorten, im wörtlichen und übertragenen Sinn, drängender denn je. Beruflich ist oft Flexibilität gefordert. Ganz zu schweigen von festen Zeiten und klaren Arbeitsstrukturen. Oder aber es stellt sich die ganz andere Frage: Wie gehe ich mit meiner Arbeitslosigkeit um? Sie fordert in verschärfter Weise eine Antwort auf den Sinn eigener Existenz. Hinzu kommt eine Flut von Sinnangeboten. Sie machen die Entscheidung nicht leichter. Vieles wirkt verlockend und ansprechend.

Die Kirche hat an allgemeiner Akzeptanz entscheidend verloren. Sie hat Menschen zu lange bevormundet und klein gemacht. Das lassen sich heute selbstbewusste und eigenständig denkende Menschen nicht mehr gefallen. Zu recht! Bleiben Menschen der Kirche zugewandt, entscheiden sie selber, was sie glauben oder nicht. Martin Luther hat ihnen diese Gewissensfreiheit immer zugestanden. Was häufiger der Fall ist, Menschen wenden sich von der Kirche ab, treten aus und orientieren sich anders.

Die Kirche hat unabhängig der Konfession Menschen über Jahrhunderte Halt und Orientierung gegeben. Das tut sie nach wie vor. Dabei stellt sie das Kreuz als zentrales Symbol christlichen Glaubens in die Mitte. Das Kreuz: in alten vorchristlichen Kulturen Zeichen für Heil und Segen der Götter, in römischer Zeit Folterinstrument und Todesmaschine und als solches Symbol für Scheitern, Gewalt, Verlassenheit und Fluch. In christlicher Zeit ein zutiefst anstößiges Symbol. Und an diesem Kreuz: ein Mensch, Jesus von Nazareth, Gottes Sohn.

Die Provokation besteht in der Zumutung: Gott am Kreuz! Der, den das Glaubensbekenntnis Vater, Schöpfer von Himmel und Erde, allmächtig nennt – am Kreuz ist er ganz tief unten, ohne Macht, belacht, verspottet, bespieen und hingerichtet wie ein Sklave.

Unvorstellbar!
Unbegreifbar!
Unannehmbar!
Uneinsehbar!

Was sollen wir mit so einem Gott? Wie kann ich ihm begegnen? Gott am Kreuz fordert uns heraus, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen. Er fragt nicht nach unserer Größe, unseren philosophischen Erkenntnissen und danach, wie wir ihn gerne weiter denken möchten. Sondern er fragt nach unserer Kleinheit, unserer Schuld, unseren schwachen Punkten, unseren Unzulänglichkeiten, kurzum:

Wo bist du klein?
Wo zweifelst du an dir selber?
Wo hast du dir etwas vorzuwerfen?
Wo drohst du zu zerbrechen an deiner Schuld?

Sich diesen Fragen zu stellen, ist der Beginn christlicher Gotteserkenntnis. In meiner Kleinheit steht dieser verspottet und verlachte Gott an meiner Seite. Er hört, wenn mich kaum noch einer hört. Und er hört auch, wenn ich mir Selbstvorwürfe mache:

Ich bin schuld.
Ich habe versagt.
Ich hätte besser helfen können.
Ich hätte mich anders entscheiden müssen.
Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Last weiter leben kann.

Da, wo nichts mehr geht, alles zu Ende scheint, ist Gott, der Gekreuzigte. Er steht neben mir und ich höre das Wort vom Kreuz: „Gott hat ihn, der keinerlei Sünde getan hatte, an unserer Stelle zu einem sündigen Menschen gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit verkörpern, in eins mit Jesus“ (2. Korinther 5,21; Die Bibel in gerechter Sprache).

Christus steht ein für mich. Er nimmt mein Lebenskreuz mit auf sein Kreuz. Und damit nimmt er meine Schuld mit in sein Sterben, mit in seinen Tod. Schuld bei ihm abgeladen, von ihm an- und mitgenommen und mit ihm begraben, macht sie nicht vergessen, doch nimmt ihre Macht.

Das Wort vom Kreuz wirkt hier, in der Tiefe meiner Kleinheit, meiner Schulderkenntnis und entfaltet seine Kraft. Es ermöglicht mir Leben, weiter Leben dürfen und können. Und, was mein Begreifen übersteigt, es lässt mich vor Gott als gerecht gelten. Vielleicht muss ich viele, viele Male sein Wort hören, mir gesagt sein lassen, es zugesprochen bekommen bis es sich mit meinem Leben verbindet und darin seine Kraft entfaltet.

Eine Provokation?! Gewiss! Vom Kreuz als Folterinstrument geht Heil aus. Das macht es zum zentralen Symbol der Christenheit:

Hier ist Annahme.
Hier ist Trost.
Hier ist Schalom.

Welch unbegreifliche und unfassbare Kraft liegt in der Tiefe der Erkenntnis Gottes?! Unabhängig der Zeit bleibt das Wort vom Kreuz bestehen. Oder besser gesagt: Durch die Zeiten hindurch bleibt es bestehen. Es ist unabhängig von den Menschen, die es hören wollen oder nicht. Dem Wort wohnt Eigenständigkeit und Lebendigkeit inne. Und es behält seine Provokation! Für die einen ist es eine Gotteskraft, für die anderen ein Skandal. Beides sind für mich Zeichen göttlicher Gegenwart!

Heiner Mausehund

Ein Gedanke zu „Das Wort vom Kreuz …eine Gotteskraft!

  1. Das Kreuz für die Juden ein Ärgernis(skándalon), die Griechen eine Torheit (moría) (vgl. 1 Kor 1) und heute für liberale Muslime wie Navid Kermani eine Gotteslästerung und Idolatrie (vgl. ders. Ungläubiges Staunen-Über das Christentum,Beck Verl.2015,
    S.50), von vielen überlesen. -Dank für Ihr Nachdenken!

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