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Gott sprengt alle Bilder, die wir uns von ihm machen

Gott bin ich – und nicht Mann! (Hosea 11,9)

Gott ist Gott. Aber Gottesbild ist nicht gleich Gottesbild. Gott schuf die Menschen nach eigenem Abbild, als Mann und Frau schuf er den Menschen. Dem entsprechend haben Menschen verschiedene Vorstellungen von Gott und sprechen doch vom gleichen Gott.

Unsere Bilder von Gott sind überwiegend männlich. Prüfen Sie es selbst für sich: Welches Bild tragen Sie im Kopf? Wie sieht Gott aus? Ist er der Herr, der König, der Richter, der Gottvater? Etwa der Patriarch mit dem weißen Bart? Gott ist meist ER, nicht SIE.

Das ist nicht verwunderlich, denn unser Bild ist geprägt von einer Gesellschaft, in der die Herrschaft der Männer zum großen Teil selbstverständlich war und bis heute oft ist. Und auch die biblischen Texte wurden in der Regel von Männern verfasst und es waren Männer die auswählten, welche Schriftenin das Buch aufgenommen werden sollten, das wir Bibel nennen.

Von Gott weiblich zu sprechen, ist jedoch auch nicht neu. In den Schriften des Alten, oder besser, des Ersten Testaments finden wir viele Beispiele. „Denn Gott bin ich und nicht Mann.“ Dieser bedenkenswerte Satz steht im Buch des Hosea.

Hosea wirkte als Prophet im 8. Jahrhundert v.Chr. im Nordreich Israels, das 722 v.Chr. durch das assyrischen Großreich zerstört wurde. Hosea ahnte den drohenden Untergang und interpretierte ihn als Folge des Verhaltens Israels, das mit eigenem kriegstreiberischen Gebaren und der Unterdrückung der Armen und Schwachen durch die Oberschicht ständig gegen den Willen Gottes handelte. Nur im mütterlichen Erbarmen Gottes sieht der Prophet noch eine Chance. Trotz der starken und eindeutigen mütterlichen Bilder verwendet Hosea nie die Bezeichnung Mutter. Auch der Vaterbegriff fehlt völlig.

Hosea schildert, wie Gott mit seinem Kind Israel umzugehen pflegt: wie mit einem kleinen Kind, einem Säugling, der von der Mutter gestillt, gepflegt, großgezogen, durchgebracht wird. Gott handelt an Israel zärtlich und bringt es nicht über sich, sein Kind dem Verderben preiszugeben: Denn Gott bin ich und nicht Mann!

Übersetzt wird häufig: Gott bin ich und nicht Mensch. Aber diese Übersetzung entspricht nicht dem hebräischen Wortlaut. Hosea will nicht nur einfach menschliches Verhalten von göttlichem, sondern göttliches Verhalten von männlichen absetzen.

Männliches Verhalten bedeutet hier „verderben“, „glühenden Zorn vollstrecken“ und Strafe konsequent durchsetzen. Davon distanziert sich Gott.

Weiblich fürsorgendes, bewahrendes und verzeihendes Verhalten wird männlich aggressivem und zerstörerischem Vorgehen gegenübergestellt.

Es wäre fatal, würde man nun Männer auf dieses Bild reduzieren. Es ist eben nur EIN Bild.

Doch angesichts dessen, dass im Namen Gottes in allen Religionen Frauen unterdrückt, missbraucht und ihrer Rechte beraubt wurden und werden, ja, ihnen die Gottesebenbildlichkeit abgesprochen wurde und wird, sollten wir den weiblichen Bildern von Gott mehr Sprache und Raum geben. Und uns von Hosea sagen lassen: Gott will nicht, dass wir ihn missbrauchen zur Rechtfertigung unserer Macht – und unserer Herrschaftsverhältnisse.

Gott will, dass wir leben. Gott will, dass wir – Männer und Frauen – sorgsam, fürsorglich, liebevoll, respektvoll und gleichberechtigt miteinander umgehen.

Deshalb sprengt Gott alle Bilder, die wir uns von ihm machen!

Bärbel Wilmschen