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Über die Verletzlichkeit menschlicher Beziehungen | In Zeiten von Corona #3

Der Herr wandte sich Israel wieder zu um seines Bundes willen mit Abraham, Isaak und Jakob und wollte sie nicht verderben, verwarf sie auch nicht von seinem Angesicht bis auf diese Stunde. (2. Könige 13,23) – Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. (Römer 11,29) | Herrnhuter Tageslosung für den 19. März 2020

Die Corona-Krise erinnert uns an unsere Verletzlichkeit. Was wir gerade erleben, lässt uns spüren, dass wir Naturwesen sind – gemacht aus vergänglichem Staub, wie es in der Bibel ausgedrückt wird. Jederzeit kann es zu Ende sein, jederzeit kann es mich treffen, ich kann es nicht wirklich beeinflussen, was auf mich zukommt.

Unsere Tageslosung spricht nun davon, dass Gott sich mit dem endlichen Staub-Wesen Mensch verbindet; eine liebevolle Bindung eingeht.

Bindungsfähigkeit und Bindungswille sind geradezu Gottes Qualität – Bezogenheit und Partnerschaft charakterisieren sein Wesen. Und wie es in jeder Partnerschaft geschieht, so muss auch Gott allerhand aushalten in seiner Bindung zu uns Menschen: nicht nur die drei namentlich genannten Persönlichkeiten der Geschichte haben Gottes Bindebereitschaft und Ausdauer so manches Mal herausgefordert. Auch unsere Art zu leben, zerrt vermutlich heftig an Gottes Geduld.

Wir erleben gerade, wie wichtig und großartig Verbundenheit ist. Da ist ein Nachbar, der für die Familie in der Quarantäne einkauft. Oder der telefonische Anrufservice, zu dem sich Menschen aus unserer Gemeinde gemeldet haben, um einsamen Personen ein*e Gesprächspartner*in zu sein. Oder die aufmunternden Sinngeschichten, die per WhatsApp den ganzen Tag lang eingehen und mich daran erinnern, dass man an mich denkt, auch wenn ich aus den Augen bin.

Aus eher Fremden werden in diesen Tagen Schicksalsgefährt*innen. Bindungen werden intensiver und deutlicher wahrnehmbar.

Ich erlebe aber auch, dass Verbundenheit auf Proben gestellt wird. Mein Mann kommt gereizt von der Arbeit heim. Er ist kein Typ, der über seine Sorgen reden würde – ich sage das eine falsche Wort. Bei meiner Freundin ist die erwachsene Tochter „wegen Corona“ wieder eingezogen, auf eine Gartenliege im Wohnzimmer – und die Pubertätskämpfe sind allesamt wieder aktualisiert. Eine andere Freundin spricht seit mehreren Tagen nicht mehr mit ihrem Partner, weil dieser nicht davon ablassen will, abends seine Kumpels zum Bierchen einzuladen.

Unsere sozialen Beziehungen sind kostbar, aber verletzlich – wie alles an uns Staub-Wesen.

Alle unsere Beziehungen sind umfangen und eingebettet in Gott. Aus dieser Verbundenheit ist Kraft zu schöpfen und Kreativität zu generieren, wie wir miteinander in unseren unterschiedlichen Beziehungsgefügen diese Zeit so gestalten können, dass es eine gute Zeit ist.

Und so manche*r wird dabei gemeinschaftsförderliche Gaben an sich entdecken, nach denen er*sie zuvor nie gesucht hatte – oder den Ruf zu einem Engagement hören, für das er*sie zuvor weder Zeit noch Augenmerk hatte. Zumindest stellt das unsere Tageslosung so in Aussicht.

Unsere Wirklichkeit wird transparent auf Gott hin. Das ist uns Chance und Aufgabe zugleich in diesen Tagen.

Bleiben Sie gut behütet.

Anke Augustin

2 Gedanken zu „Über die Verletzlichkeit menschlicher Beziehungen | In Zeiten von Corona #3

  1. Gute Worte für jeden Tag, von Anke Augustin – wie schön! Und wichtig gerade heute, in den Zeiten von Corona. Unsere ganze Zivilisation besteht ja eigentlich aus Beziehungen – wenn Beziehungen zerbrechen, wird deshalb immer automatisch auch der Firnis der Zivilisation dünner.

  2. Ansprechende, stärkende Gedanken. Danke Dir, liebe Anke.
    Herzlichen Gruß
    Heiner

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