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Eine Frage der Perspektive

Sommerferienzeit – Reisezeit! Mancher Thailand-Resident, manche Thailand-Residentin verbringt im Sommer einige Wochen oder sogar einige Monate in Europa. Und für manche der „Expat(riate)s“ und ihre Familien bedeutet der Sommer auch das Ende des Arbeitsverhältnisses in Thailand: Einmal mehr Abschiednehmen, Umzug zurück in das Heimatland oder in einen weiteren ausländischen Einsatzort. Und in diese ganzen Aufbruchs- und Umzugsbilder mischen sich in diesem Jahr Berichte und Bilder von Menschen in überfüllten Flüchtlingsbooten im Mittelmeer oder in der Andamanen-See. Auch sie sind aufgebrochen, aber unter ganz anderen Umständen. Aus Lebensverhältnissen, die für sie aus verschiedenen Gründen unerträglich wurden. Und mit großen Risiken – nicht wenige bezahlen diesen Aufbruch mit ihrem Leben.

Aufbruch als Ex-Pat und Aufbruch als Flüchtling – das sind sehr verschiedene Geschichten, Bewegungen, die auf den ersten Blick überhaupt nicht miteinander verglichen werden können. Aber mindestens eine Erfahrung teilen alle Menschen, die unterwegs sind: die Unsicherheit, was genau sie am Ziel ihrer Reise erwartet, und die Herausforderung, sich mit den Menschen und Verhältnissen in den Ländern zu arrangieren, in die sie die Reise führt. Und die Frage, ob sie dort willkommen sind – zumindest bei denen, mit denen künftig zusammen leben und arbeiten sollen.

Freddy Dutz, Redakteurin der Missionszeitung „Eine Welt“, hat zu diesen Perspektivverschiebungen einige interessante Beobachtungen gemacht:

Weiße Ausländer nennt man (auch im Deutschen) „Ex-Pats“, die englische Abkürzung für „expatriate“, was mit „im Ausland lebender Bürger“ übersetzt werden kann. Andere Nicht-Inländer heißen Immigranten, Ausländer, Gastarbeiter oder Fremde… Österreichische, deutsche oder schweizer Mitarbeitende, die im Ausland arbeiten, verdienen oft mehr, als ihre Kolleginnen und Kollegen zuhause. Sie bezeichnet man als Wirtschaftsflüchtlinge. Über Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Süden, die nach Europa kommen, weil sie da mehr verdienen als in ihrer Heimat, sagt man „sie machen Karriere“. Oder war das anders herum? („Eine Welt“, Ausgabe 2-2015, S.41)

Es ist also eine Frage der Perspektive, ob „das Fremde“ und „die Fremden“ als Bedrohung oder als Bereicherung gesehen werden kann. Und manchmal liegen im realen Leben beide Sichtweisen erschreckend nahe beieinander.

In den Geschichten der Bibel sind Aufbruch, Fremde, Ankommen, Vertriebenwerden und Leben als ein „wanderndes Gottesvolk“ Dauerthemen. Und in all diesen Geschichten lebt die Erfahrung, dass der Gott der Bibel nicht nur einer ist, der immer schon „da ist“, sondern auch einer, der die mühsamen und gefahrvollen Wege der Menschen mitgeht, im Suchen und im Finden, im Verlieren und Wiederentdecken.

Wo auch immer Sie jetzt gerade zu Hause oder unterwegs sind: seien Sie behütet unter Gottes Schutz! Und seien Sie hoffentlich willkommen, wo immer Sie anklopfen.

Ulrich Holste-Helmer