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Das schönste Wort

Ich gehöre zu den Menschen, die unterwegs in der Stadt alles Mögliche lesen. Früher dachte ich, das sei ganz normal. Aber inzwischen weiß ich, dass nicht jeder so tickt. Ich jedenfalls lese, was auf großen Plakaten und kleinen Schildern steht, an der Bushaltestelle, in Schaufenstern. Ich lese sogar die „Katze entlaufen“- und „Wohnung gesucht“-Zettel an Straßenlaternen und Fußgängerampeln, obwohl ich keine Katze gefunden oder Wohnung zu vermieten habe.

Besonders interessant finde ich jene Worte, die meine Mitmenschen durch die Stadt tragen. So viele sind irgendwie beschriftet, tragen Worte auf T-Shirts gedruckt oder in die Haut tätowiert. Beliebt sind auch mit Bildern und Texten bedruckte Stoffbeutel.

Während meines Sommerurlaubs lief in irgendeiner Fußgängerzone eine Frau an mir vorbei, auf deren Tasche stand: „Das schönste Wort? Wir.“ Ich konnte es im Vorbeigehen gerade noch lesen. Vielleicht weil es mitten in der Stadt war, musste ich dabei an uns denken, die wir gemeinsam in diesem Land leben. Das Wir scheint irgendwie kleiner und die Gräben an manchen Stellen tiefer zu werden. Ich finde deshalb, diese kurze Frage und die noch kürzere Antwort ergeben eine Aussage, die wir nicht oft genug hören können. „Das schönste Wort? Wir.“

„Wir“ wird in Sätzen, die mitmenschlich, offen bleiben, zu einem schönen Wort. Dagegen klingt es in einem Satz wie „Wir sagen euch, wo es lang geht“ nur für eine Seite schön. „Wir gehen einen gemeinsamen Weg“ klingt schöner. Am schönsten klingt das „Wir“, wenn es über sichtbare und unsichtbare Grenzen hinweg Menschen verbindet.

„Wir sind Mitmenschen.“ In unserer Evangelischen Kirche im Rheinland läuft schon seit einigen Monaten eine Mitmachaktion unter diesem Motto. Schon viele Menschen auch aus unserer Stadt haben sich bereits daran beteiligt. Wir haben das Sommerfest der Mitarbeitenden unserer Kirchengemeinde genutzt, um ebenfalls mitzumachen. Entstanden sind Plakate, die Sie hier und da in Essen-Steele und natürlich auch in unserer Kirche entdecken können.

Im Internet wächst auf der Seite www.wirsindmitmenschen.de eine Bildergalerie von Christinnen und Christen, die Gesicht zeigen gegen Fremdenfeindlichkeit und für das „Wir“. Machen Sie doch auch mit, indem Sie ein Foto hochladen oder noch besser, indem Sie Ihre Mitmenschen die Schönheit des schönsten Wortes erleben lassen.

Johannes Heun