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Das Kriegsende in Essen, Teil 1: Bis zur Einkesselung des Ruhrgebiets

Schon am 11. September 1944 hatten amerikanische Truppen im Westen die Grenze des Deutschen Reiches überschritten. Aachen fiel als erste deutsche Großstadt in die Hände der Alliierten. Im Oktober 1944 erreichte die Rote Armee in Ostpreußen die Reichsgrenze.

Durch „totalen Kriegseinsatz“ sollte nun die „Waffenschmiede des Reiches“, wie die durch die Bombardierungen der Alliierten schon seit dem Frühjahr 1943 völlig zerstörte Industrieregion an Rhein und Ruhr immer noch genannt wurde, verteidigt werden. Als Energielieferant war das Ruhrgebiet unentbehrlich.

Die Mehrheit der Bevölkerung im Ruhrgebiet ließ sich auch in dieser Kriegsendphase, immer noch auf versprochene neue Offensiven und Waffen hoffend, von der NS-Propaganda zu Kriegsbereitschaft, Leidensfähigkeit und Fanatismus motivieren. Verantwortlich für den NS-Gau Essen war in dieser Endphase der stellvertretende Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Fritz Schießmann (1899 – 1964, gestorben als Kaufmann in Essen).

Die Bombardierung vom 23. bis 25. Oktober 1944

Die Stadt Essen wurde vom Abend des 23. bis zum Spätnachmittag des 25. Oktobers 1944 Ziel eines verheerenden doppelten Luftangriffs durch britische Bomber; der bis dahin größte Angriff des Bomber Command auf eine deutsche Stadt. Mehr als 1.460 Menschen wurden bei diesen beiden Luftangriffen getötet. Die Krupp-Werke fielen nach diesen Zerstörungen (auch das historische Stammhaus der Krupp-Werke wurde zerstört) bis zum Kriegsende als Rüstungsbetriebe für schwere Waffen aus. Was die zurückliegenden schweren Bombardierungen der Essener Innenstadt an Häusern und Ruinen noch übriggelassen hatte, fiel nun völlig in sich zusammen. So auch die gotischen Gewölbe dieser Marktkirche, die seit dem zerstörerischen Angriff vom 4. März 1943 noch in den Himmel ragten.

Zerstörung des KZ-Außenlagers in Fulerum

Für die gefangenen jüdischen Frauen des KZ- Außenlagers Buchenwald an der Humboldtstraße, ursprünglich 520 Mädchen und Frauen, die – von den Krupp Werken angefordert – dort arbeiten mussten, hatte dieser Luftangriff verheerende Folgen. Ihre Baracken- Unterkünfte wurden völlig zerstört. In ausgegrabenen mit Brettern überdachten Erdhöhlen suchten sie Schutz vor der Witterung. Waschgelegenheit gab es überhaupt nicht mehr.

Da die Straßenbahn ausfiel, mussten sie nun morgens schon vor 5 Uhr zu einem Marsch über mehr als sechs Kilometer durch die zerstörten Essener Straßen aufbrechen, um zum Schichtwechsel in den Kruppschen Fabriken zu sein. Dort wurden sie bei der Munitionsherstellung und bei Aufräum-Arbeiten eingesetzt.

Mit einem Kittel bekleidet, auf dem Rücken ein großes rotes Kreuz, zerlumpt und durchnässt, war die Frauenkolonne nun Tag für Tag morgens und abends in den Straßen zu sehen, begleitet von bewaffneten SS-Männern und von bei der SS ausgebildeten Krupp- Arbeiterinnen, angetrieben von den gefürchteten Stahl-Peitschen, die vor allem die letzten der Marschierenden trafen (siehe Heft „Ortstermin“, Broschüre, Alte Synagoge).

Eine dieser Frauen, Rose Warmer, eine getaufte Jüdin, habe ich bei ihrem Besuch hier in Essen persönlich kennengelernt und die Begegnung mit ihr in meinem Superintendenten-Bericht für die Kreissynode Essen-Nord im Jahr 1982 festgehalten.

Durchhalten!

Anfang November 1944 bereiste der Rüstungsminister Albert Speer das Ruhrgebiet. Er legte Hitler am 11. November eine „Ruhrdenkschrift“ vor, in der er ziemlich nüchtern die Lage schilderte und vor einer Abriegelung dieser Region durch zerstörte Verkehrswege warnte. Die Fortführung des Krieges sei ohne die Ruhrregion nicht möglich. Er forderte neue Arbeitskräfte (Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene) an. Speer schrieb abschließend: „Wir dürfen auf keinen Fall müde werden. Wir werden alles daransetzen, um diesen für das Schicksal unseres Reiches entscheidenden Kampf um die Ruhr zu gewinnen.“

Am 10. Dezember 1944 rief der Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley mehrere Kompanien des Volkssturms zu einer Kundgebung in Essen zusammen.  Der Volkssturm war im Oktober 1944 gegründet worden, eine Volksmiliz aus bis dahin nicht wehrpflichtigen Jugendlichen und älteren Männern unter Führung der NSDAP, paramilitärische Hilfssoldaten, die später auch an der Front eingesetzt wurden. An der „Heimatfront“ unzureichend militärisch ausgebildet, wurden diese Menschen zur Vorbereitung von Verteidigungsstellungen und Panzersperren eingesetzt, aber auch zur Bewachung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen.

Vor diesen Volkssturmleuten in Essen hielt Ley eine Propagandarede: „Die Stunde kommt, das ist gewiss, dann führen wir unsere Schläge mit Macht und Kraft. Jeder Deutsche, ganz gleich wo sein Platz ist, möge stets daran denken und durch Leistung und Haltung dem geliebten Führer helfen, der des Endsieges gewiß ist.“ Ley spielte in seiner Rede auf die bevorstehende Ardennen- Offensive an, die dann am 16. Dezember begann, begleitet von großmäuligen Propagandareden und Siegesversprechungen, eine letzte Offensive im Westen, die aber dann schon am 24. Dezember gescheitert war.

Zwei Tage später, am 12. Dezember 1944, bereiste Reichspropagandaminister Goebbels das Ruhrgebiet. Vom Hartkortberg bei Wetter beobachtete er den Tages- Luftangriff auf Witten und die Annen- Werke. In seinem Tagebuch notierte er: „…erhalte einen deprimierenden Eindruck von der Hoffnungslosigkeit, in der sich die Bevölkerung dem feindlichen Luftterror gegenüber befindet … Eine große Industriestadt an allen Ecken und Enden brennen zu sehen, das ist ein schauriger Anblick, und man möchte man liebsten die Augen vor so viel Elend verschließen.“

Goebbels fuhr anschließend im Panzerspähwagen durch das völlig zerstörte Bochum („Man sieht nur Steinhaufen und durch Regen, Dämmerung und Nebel von der Arbeit in ihre Keller zurückschleichende Arbeiter … sie hausen in Erdlöchern und Kellerwohnungen.“) und kam dann nach Essen. In den Ruinen der Krupp-Werke wurde Goebbels von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach begrüßt. Dort hielt er eine seiner berüchtigten Durchhaltereden vor der Belegschaft und vor ausgewählten NS- Parteifunktionären. Goebbels‘ Tagebuch-Resümee: „Es wäre von nicht zu unterschätzender Bedeutung, wenn der Führer selbst auch einmal eine solche Fahrt durchführen wollte und könnte.“

Die Bombardierung am 12. Dezember 1944

Unmittelbar nach der Abreise von Goebbels begann noch am Abend ein weiteres Flächenbombardement auf das gesamte Stadtgebiet von Essen. 465 Tote wurden nach diesem Angriff vom 12. Dezember gezählt, darunter 89 Kriegsgefangene, 13 Zwangsarbeiter und 201 Strafgefangene (KZ-Häftlinge).

Über Tage lag der gesamte Bahnverkehr lahm. Die vorhandene deutsche Luftabwehr verzeichnete nur mäßige Erfolge. Fünf Lancaster- Bomber wurden abgeschossen. Trotz technischer Erneuerungen befand sich die Luftwaffe in einem desolaten Zustand: Treibstoffmangel, fehlende Munition, hohe personelle Verluste. In Essen konnte man erkennen: Es gibt keinen Schutz mehr, nicht einmal, wenn die NS-Größen in Essen auftreten. In einem Essener Kriegstagebuch heißt es in diesem Zusammenhang: ,,Gestern hat Goebbels hier gesprochen – die Antwort haben wir!! Vier Tage vorher Ley.“

Lynchmorde

Am 13. Dezember, am Tag nach der Bombardierung, geschah in Essen ein beschämender, dreifacher Lynchmord. Drei britische Soldaten von der Besatzung eines der abgeschossenen Lancaster- Bomber hatten sich mit dem Fallschirm retten können und waren von der Polizei verhaftet worden. Sie sollten nun als Kriegsgefangene der Luftwaffe übergeben werden.

Auf dem Weg zum Flughafen Essen- Mülheim an der Wickenburgbrücke wurden sie durch eine aufgeputschte Menschenmenge beschimpft und schwer misshandelt. Die begleitenden drei Soldaten unternahmen nichts. Schließlich wurden zwei der britischen Flieger von der Brücke gestoßen, der dritte wurde bei einem Fluchtversuch angeschossen, ehe er über die Brücke geworfen wurde. Ein Soldat, der noch Lebenszeichen von sich gab, wurde von der Brücke aus erschossen. Die unten am und im Wasser liegenden Leichen wurden von der Menge ausgeraubt.

Die NS-Propaganda hat diese gegen alles Kriegsrecht geduldete und von der NS- Propaganda auch geförderten Lynchmorde als Ausbruch des Volkszorns verharmlost. Psychologisch kann man sie als Amoklauf gegen den Untergang verstehen. Die durch die Kriegsnöte in den Menschen bewirkte Abstumpfung, die Wut, trotz des propagierten Überlegenheitsgefühls zu den Verlierern zu gehören, die Angst, zuletzt noch als Verräter zu gelten – dies alles bewirkte bei vielen Deutschen einen völligen moralischen Verfall.

In einem mustergültigen Prozess gegen die Beteiligten – frei von jeglicher Siegerjustiz – hat ein britisches Militärgericht im Dezember 1945 dieses Verbrechen an der Wickenburgbrücke aufgearbeitet. Ernst Schmidt hat diesen Prozess in den „Essener Beiträgen“ (Bd. 120, S. 299ff.) dokumentiert.

Das letzte Aufgebot

Anfang 1945 wurden alle Betriebe und Verwaltungen „durchkämmt“, um auch noch die letzten bis dahin als unabkömmlich geltenden Männer und Jugendliche ab 17 Jahren in den Kriegseinsatz zu schicken. Sogar Flak-Soldaten wurden für den Fronteinsatz abgestellt. Nur kurz und unzureichend ausgebildet, mussten Volkssturmmänner und HJ-Jugendliche die Flugabwehr übernehmen.

Die militärische Lage war verzweifelt. Anfang März 1945 setzte in Essen angesichts der näher rückenden Front der amtierenden Gauleiter Schießmann seine ganze Hoffnung auf den Volkssturm als Ersatzheer an der Heimatfront. In seinem Aufruf heißt es: „…das werden Duisburg, Oberhausen,Essen, Mülheim mit den Dörfern am Niederrhein im deutschen Westen sein: Festungen unzerbrechlicher Treue und glühenden Willens zum Kampf und Ausharren … Ruhrvolk rüste dich! Auf dich schaut der kämpfende Soldat! Auf dich schaut der Führer! Auf dem Wall deiner Treue muss und wird der feindliche Rammbock zerschellen!“

All diese unsinnigen Mobilisierungen schickten die völlig unzureichend ausgerüsteten Männer und Jugendlichen in den sicheren Tod. Statistiken weisen aus: Durch die unverantwortlichen Befehle der NS- Führung sind in der Endphase des Krieges genauso viele deutsche Soldaten und Hilfssoldaten ums Leben gekommen wie in den fünf Jahren zuvor.

Noch etwas zu den Zahlen: Rund 6.330, maximal 6.800 Menschen, darunter ca. 1.500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, werden in Essen als Opfer der Bombardierungen gezählt. Bei Kriegsbeginn hatte Essen rund 650.000 Einwohner, im Laufe der Kriegsjahre war die Einwohnerzahl auf 285.000 zurückgegangen, vor allem durch Evakuierungen, Abwanderung in ländliche Gebiete).

Die endgültige Zerstörung der Stadt

Am 6. März 1945 fiel die Stadt Köln in alliierte Hände. Ab 9. März stand Essen unter Artilleriebeschuss. Am 11. März führten die Alliierten einen letzten, gewaltigen Luftschlag gegen die schon als Trümmerwüste daliegende Stadt. 4.660 Tonnen Minen- und Sprengbomben gingen nieder. Ca. 1.100 Bomber waren daran beteiligt; es war der schwerste Luftangriff des zweiten Weltkrieges überhaupt. Drei Lancaster Bomber stürzten auf Essener Gebiet ab. 897 Tote wurden gezählt.

Es gab nur noch eine geringe deutsche Luftverteidigung. Jagdbomber hatten danach nun auch tagsüber freies Schussfeld. Fortan gab es keine Industrieproduktion in Essen mehr. Kohlen wurden nicht mehr gefördert. Das riesige Gelände der Kruppschen Gußstahlfabrik – eine Mondlandschaft. Zwangsarbeitertrupps, die noch versuchen sollten, Trümmer zu beseitigen und das Eisenbahnnetz zu reparieren, ließen sich kaum noch zusammenstellen. Straßen waren nicht mehr passierbar. Die Wasser-, Abwasser und Stromversorgung brach endgültig zusammen. Die Stadtverwaltung hatte keine Möglichkeiten mehr.

Rückführung jüdischer Zwangsarbeiterinnen

Wie mitten in diesem Inferno dennoch die eingespielten Organisations- und Gehorsamsstrukturen funktionierten, wird an dem Abtransport der jüdischen Frauen aus dem KZ-Außenlager in Fulerum deutlich.

Der Kommandant von Buchenwald hatte die Rückführung der jüdischen Frauen und Männer aus den KZ-Außenlagern in Bochum und Essen befohlen. 2.000 Häftlinge in Essen und Bochum mussten also unter Aufsicht der SS in Marsch gesetzt werden. Mitten im Inferno wurde wie selbstverständlich auch in Essen dieser Befehl erledigt. Die Krupp- Werke stellten für die Organisation der Rückführung einen Angestellten zur Verfügung. Im Außenlager an der Humboldtstraße wurden am 17. März 1945 die jüdischen Frauen zu einem Marsch über Kray nach Bochum angetrieben; ein gefürchteter Tag, denn immer wieder hatten die SS-Bewacher den Frauen gesagt, was mit ihnen beim Zusammenbruch passieren würde.

Zitat: „Fünf Minuten haben wir immer noch Zeit, euch zu erschießen“. Obwohl der Bahnverkehr fast vollständig zusammengebrochen war, startete am 17. März im Hauptbahnhof in Bochum noch ein Transportzug, der mit den Häftlingen, Frauen und Männern, am 19. März in Weimar ankam. Dort mussten die jüdischen Frauen im Zug bleiben, um dann ohne Verpflegung und Wasser in drei Tagen nach Bergen- Belsen bei Celle weitertransportiert zu werden.

Mit der Übergabe der Frauen an das vom Typhus verseuchte Lager war der „Verwaltungsakt Rückführung“ erledigt, ein Verwaltungsakt, der dann doch einigen in Essen eigesetzten Jüdinnen das Überleben ermöglichte. (siehe Heft „Ortstermin“, Broschüre, Alte Synagoge).

Der NS-Terror im Untergang

Was noch zu regeln war, übernahmen nun in Essen die Parteigliederungen. Auch in den letzten chaotischen Kriegswochen blieb die Befehlsstruktur vom Führerbunker in Berlin über die Gauleiter bis in die Essener Parteigliederungen intakt. Schießbefehle erklärten bestimmte Personengruppen für vogelfrei. Das galt vor allem für Ausländer (Ostarbeiter) und Kriegsgefangene, die bis zuletzt rücksichtslos als Arbeitskräfte eingesetzt und an vielen Orten kurz vor dem Einrücken der Amerikaner noch liquidiert wurden.

Einigen bewaffneten Parteibonzen und ihren Helfern ging es nur noch um die Jagd nach Zuchthäuslern, Geflohenen und Kriegsmüden und um die Liquidierung politisch Unzuverlässiger. In Essen wurden am 19. März 35 an ihrer Kleidung erkennbare russische Zwangsarbeiter von der Gestapo am „Montagsloch“ im heutigen Gruga-Park erschossen und in einen mit Regenwasser gefüllten Bombenkrater geworfen.

Hitlers zynischer „Nero- Befehl“ vom 19. März 1945, dem Feind nur verbrannte Erde zu überlassen, da es für die noch nicht im Kampf gefallenen unterwertigen restlichen Deutschen sowieso keine Zukunft mehr gebe, und ein Führerbefehl vom 26. März, Regimegegner und Soldaten ohne Papiere standrechtlich zu liquidieren, gaben dann den fanatisierten Nazis, so auch dem für die Verteidigung des Ruhgebietes zuständige Befehlshaber der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall Model, die endgültige Legitimation für diese Endphasenverbrechen. Goebbels schrieb voller Zynismus in sein Tagebuch: „Was uns betrifft, so haben wir die Brücken hinter uns abgebrochen. Wir können nicht mehr, aber wir wollen nicht mehr zurück.“

Die Bevölkerung lebte derweil in Kellern und Schutzräumen in einer teilweise chaotischen und brutalisierten Atmosphäre. An einen Weg zur Arbeit war nicht mehr zu denken. Die „Heimatfront“ in Essen brach zusammen.

In einem am 20. März über Essen abgeworfenen Flugblatt des Alliierten Oberkommandos an die Zivilbevölkerung heißt es: „…Jahrelang haben Eure Hochöfen, Werke und Werkstätten die Waffen für den Eroberungskrieg geschmiedet … Um die Verlängerung des bereits verlorenen Krieges zu verhindern, wird daher die gesamte Kriegsindustrie einem erbarmungslosen Bombardement ausgesetzt werden. Die Alliierten sind aber entschlossen, nicht das deutsche Volk, sondern nur die deutsche Kriegsmaschine zu vernichten.“ Die angeordnete Selbstvernichtung des deutschen Volkes durch die Nazis konnte sich die britische Propaganda gar nicht vorstellen.

Verweigerte Räumung der Stadt

In Übereinstimmung mit der Berliner Parteileitung ordnete der Essener Gauleiter Schießmann am 25. März die totale Räumung der Stadt Essen durch die Zivilbevölkerung an. Er hatte dazu noch Plakate drucken lassen: „Der Feind hat auf dem rechten Ufer des Niederrheins Brückenköpfe errichtet. Es muss damit gerechnet werden, dass er …, wenn auch nur vorübergehend, weiter vorrückt und in unsere Großstädte eindringt. … In diesem Kampfgebiet dürfen Frauen und Kinder nicht mehr sein … Lebensmöglichkeiten wird es nicht mehr geben – Die totale Räumung ist daher zwingendes Gebot!“

Aber wohin sollten Frauen und Kinder gehen? Das Ruhrgebiet war längst von der Alliierten Seite in die Zange genommen. Nur wenige Marschkolonnen bildeten sich und kehrten alsbald wieder um. Schutzlos hätten sie sich irgendwie durchschlagen müssen und wären dem sicheren Tod entgegengegangen. Jetzt zeigte sich ein gewisser Widerstand. Die Menschen blieben einfach in ihren Behausungen. Die Stadtverwaltung verbot sogar ihren Mitarbeitern, den Raum Essen zu verlassen und versuchte, die Lebensmittelversorgung aufrecht zu erhalten.

Aber die Unruhe über den Räumungsbefehl verschärfte die verzweifelte Lage und das Chaos. Die Teile des Gaues Essen am Niederrhein waren längst in alliierte Hand. Flüchtlinge strömten in die Stadt. Am 2. April nahm Schießmann seinen Befehl schließlich zurück.

Heinrich Gehring

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Bei diesem Text handelt es sich um den ersten Teil eines Vortrags, den der frühere Essener Stadtsuperintendent und Superintendent i.R. des Kirchenkreises Essen-Nord, Heinrich Gehring, am 14. April 2015 in der Marktkirche gehalten hat, und den wir hier abdrucken dürfen.

Der zweite Teil befasst sich mit dem Zeitraum von der Einkesselung des Ruhrgebiets über die letzten Kriegstage und das Ende der Kampfhandlungen in Essen am 11. April 1945 bis zu den ersten Tagen unter der Militärregierung und erscheint am 6. Mai 2025.

Der letzte Teil berichtet über die erste Essener Kreissynode nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die bereits am 13. Mai 1945 in Rüttenscheid zusammengetreten ist, und erscheint am 7. Mai 2025.

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