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Ausgerechnet…!

„Ausgerechnet…!“ Wie oft haben wir uns das schon sagen hören. Überrascht, irritiert, leicht kopfschüttelnd vielleicht auch.

„Ausgerechnet die!“ Da begegnet uns nach Jahren das blasseste und schüchternste Mädchen aus unserer Schulklasse wieder. Und wir erkennen mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid: Edles Outfit, gewinnendes Lächeln und ein geradezu provozierend souveränes Auftreten. Unglaublich! Wenn uns das jemand vor zwanzig Jahren prophezeit hätte…

„Ausgerechnet der!“ Er war der Wildeste von allen. Probierte alles aus, akzeptierte weder Grenzen noch Autoritäten, trieb Eltern und Lehrer zum Wahnsinn und hatte scheinbar vor nichts Angst. Wir wären alle gern ein bisschen gewesen wie er. Heute ist er über vierzig und hat noch immer keine Richtung in seinem Leben, keinen Boden unter den Füßen gefunden. Dabei hatten wir uns gerade von ihm ein ganz anderes Bild gemacht…

So sind wir – wir ziehen unsere Schlüsse aus dem was wir sehen und rechnen hoch, was wir kennen und einordnen können. Rechnen uns aus, wie es eigentlich kommen müsste. Und nennen es Lebenserfahrung. Das ist klug. Aber es ist immer nur höchstens die halbe Wahrheit. Denn die Wirklichkeit ist immer mehr als das, was wir erfassen können. Das Leben birgt immer mehr Möglichkeiten, als wir denken können. Anders gesagt: Gott ist nach den Regeln unserer Erfahrung unberechenbar. Gott lässt geschehen, womit wir nie gerechnet hätten: Jesus bleibt nicht bei den Toten! Der Gekreuzigte wird zum Leben erweckt – ausgerechnet der!

Ostern feiern heißt: Mit diesem Gott des Lebens zu rechnen, der erstaunliche Ausnahmen von aller Erfahrung möglich macht. Wir brauchen nicht nur zu glauben, was wir sehen. Wir brauchen nicht stecken zu bleiben in dem, was wir uns selber ausrechnen können. Der Glaube weiß: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Und der Glaube hofft: Damals für Jesus – warum also nicht auch für mich?

Einer der tiefsinnigsten und absolut österlichsten Glaubenssätze, die ich kenne, stammt von Peter Ustinov: „Ich bin bereit, jeden Augenblick erstaunt zu sein.“

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Karwoche und ein frohes Osterfest.

Annegret Helmer