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„Was willst du?“

Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann. Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. (Lukas 18,40-42)

Immer wieder treffen wir in den Heilungsgeschichten der Evangelien auf diese Frage Jesu. „Was willst Du?“ – „Willst du gesund werden?“ Ja – natürlich will er gesund werden: der Kranke, der mittlerweile schon 38 lange Jahre krank darnieder liegt. „So steh auf, nimm dein Bett und geh“, antwortet Jesus – und der Mann nimmt seine Matte und geht (Johannes 5,6ff.).– „Was willst du, dass ich dir tun soll?“, so fragt Jesus den Blinden vor dem Stadttor zu Jericho. „Herr, dass ich sehen kann“, antwortet dieser – und er wird sehend (Lukas 18,41ff.).

Wenn wir gefragt werden: Was willst du? Wie würde unsere Antwort ausfallen auf den vielen Wegen unseres Lebens? Wir wünschen und hoffen, wir arbeiten auf ein Ziel hin und verwerfen es wieder; wir treffen auf mancherlei verschlossene Türen. Sie lassen sich partout nicht öffnen – und wir zweifeln an uns, am Leben, es ist oft zum „Ver“-Zweifeln.

Doch dann, unverhofft, öffnen sich uns andere Türen, und Wege breiten sich vor uns aus, die wir nicht im Blick hatten. Immer weiter schreiten wir voran. Selten verläuft unser Leben wie eine gerade Strecke, schnurstracks zum gewünschten Ziel. Eher ist es einem Fluss gleich, der sich seinen Weg sucht in vielen Windungen und Wendungen.

„Was willst du?“, ist dabei eine der wichtigsten Fragen, die wir uns stellen. Jede Krise, jeder Lebenswendepunkt trägt diese Frage an uns heran: Was will ich? Will ich so weitermachen wie bisher? Was möchte ich ändern? Mit wem will ich zusammen sein? Was ist mir wichtig? Was will ich erreichen und was will ich so nicht mehr?

Zu diesem Thema fallen mir Labyrinthe ein, die an vielen Orten in der Welt angelegt sind. Labyrinthe laden ein zum Innehalten und achtsamen Schauen auf diese Frage des Lebens: Was willst du? Wer sie begeht, wendet oftmals den Pilgerschritt an: zwei Schritte voran, ein Schritt zurück; so versuchen Menschen mit Hilfe von Labyrinthen auf die Spur ihres Lebens zu kommen.

Noch vor einigen Monaten konnte ich dies während meiner Bodenseeradtour auf der Insel Werd in der Schweiz beobachten. Dort ist ein Labyrinth auf einer Wiese angelegt. Die meisten Menschen, die zeitgleich mit mir diese Klosterinsel der Benediktinerabtei besuchten, wurden davon wie magisch angezogen. Manche gingen den vorgegebenen Weg forsch an. Doch nicht lange, so hatten die verschlungenen Wege auch sie in ihren Bann gezogen und sie gingen wie die meisten Menschen, die dem Weg des Labyrinths folgen: langsam, bedächtig und nachdenklich schritten sie aus.

Zu diesem Zweck sind Labyrinthe angelegt. Als eine Einladung, sich auf seinem Weg den Fragen des Lebens zu stellen: ohne Erklärungen, ohne durch Vernunft bewegte Stellungnahmen, geht es allein darum, der Intuition zu folgen und sich den aufsteigenden Erfahrungen und Emotionen auszusetzen.

Auf den Spuren des Labyrinths den Windungen und Wendungen des Lebens folgen und erkennen, dass der Weg immer weiter führt: da ist keine Mauer und kein Hindernis, das unseren Weg beenden könnte, sondern immer weiter führt der Weg bis hinein in die Mitte. Das Labyrinth ist eines der ältesten Symbole der Menschheit als ein Bild für unser Leben, ein Bild für die Landschaften unserer Seele, ein Bild für unsere Reise durch die Zeit.

„Was willst du?“ Viele Heilungsgeschichten aus der Bibel beginnen mit dieser Frage. Wenn Jesus diese Frage stellt, dann deshalb, weil Gott uns als freie Wesen erschaffen hat, denen diese Frage immer wieder gestellt wird. Wir sind frei in unserer Antwort, frei selbst zu entscheiden, wohin der Weg gehen soll.

„Was willst du?“ Gottes Hilfe bekommen wir nicht gegen unseren Willen. Aber wir sind frei uns ihm zuzuwenden und wir dürfen sicher sein, dass er mit uns ist auf unserer Suche nach Antwort.

Petra Gunkel