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Erinnerung an Auschwitz

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum siebzigsten Mal. Anfang des Jahres haben die Fotokünstler Olaf Eybe, seine Tochter Friederike Eybe und Rolf Krause das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz besucht. Die dabei entstandenen Aufnahmen zeigen sie ab dem 23. Januar einen Monat lang in der Stephanuskirche in Essen-Überruhr. Die Ausstellung ist Teil einer Veranstaltungsreihe, zu der ein Zeitzeugengespräch, eine Lesung mit Texten (nicht nur) über Auschwitz und ein Konzert gehören (Internet: www.kirche.ruhr). Olaf Eybe erklärt, warum es ihm wichtig ist, dass sich die Menschen heute an Auschwitz und seine Geschichte erinnern.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Vergangenheitsbewältigung?

Seit früher Jugend – prägend war eine Fahrt des Kirchenkreises Essen-Nord, die mich als mich als Jugendlichen nach Buchenwald führte. Außerdem interessierte ich mich schon früh für andere Kulturen und Länder. Dank verschiedener Brieffreundschaften kam ich in die USA, aber auch nach Polen. Bei meinem ersten Aufenthalt in Polen, Anfang der Achtziger Jahre, überraschte ich meine Gastgeber mit dem Wunsch, Auschwitz besuchen zu wollen.

Später studierte ich unter anderem Neuere und Osteuropäische Geschichte. Da Bochum und Krakau Partneruniversitäten waren, reiste ich häufig nach Polen und lernte spannende Menschen kennen. Es entstanden Freundschaften, die bis heute bestehen.

Deshalb erscheint mir der Weg in die Verständigungsarbeit fast zwangsläufig. In den Neunziger Jahren wurde ich Vizepräsident der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen. Nach meiner Rückkehr in meine Heimatstadt Essen gründete ich mit meiner Frau die Deutsch-Polnische Gesellschaft Essen, die ich elf Jahre leitete. Mit Kulturveranstaltungen gingen wir gegen Vorurteile an.

In all den Jahren publizierte ich in Deutschland und in Polen Gedichte und andere Texte, die Deutsche und Polen einander näher bringen sollten. Beruflich arbeitete ich als Texter im Werbe- und PR-Bereich. In den letzten Jahren entdeckte ich die Fotografie für mich als künstlerisches Ausdrucksmittel. Ich gewann Wettbewerbe und meine Fotos wurden in Ausstellungen gezeigt.

Nach Gründung der Kultur Offensive Ruhr im Sommer 2014 entstand die Idee, anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz eine Veranstaltungsreihe in der Stephanuskirche zu organisieren. Dabei wurde ich von Markus Pein, Pfarrer in meiner Heimatgemeinde Essen-Überruhr, unterstützt.

Ergebnis sind eine Fotoausstellung mit Fotos von Rolf Krause, meiner Tochter Friederike Eybe und mir, die am 23. Januar eröffnet wird, eine Lesung unter dem Motto „Texte (nicht nur) über Auschwitz“ am 27. Januar und ein Konzert mit der deutsch-polnischen Gruppe „Margaux und die BANDiten“ am 30. Januar.

Warum ist es wichtig, dass sich die Menschen an Auschwitz erinnern?

Auschwitz ist Symbol für die industrielle Vernichtung von Menschen durch Menschen. Das Schreckliche bekam hier eine Dimension, die kaum nachvollziehbar ist. Hier scheinen alle moralischen Maßstäbe aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf, aber in Auschwitz war der Mensch dem Mensch ein Monster unter dem Deckmantel von Ideologie und Bürokratie. Der Mensch wurde reduziert auf seinen Materialwert – ein Kilo Menschenhaare zu 50 Pfennig. Über eine Million Menschen wurden hier zu Asche. Die Vernichtung des europäischen Judentums wurde mit deutscher Gründlichkeit vorangetrieben. Sinti und Roma wurden zu Untermenschen degradiert. Homosexuelle wurden ebenso wie religiös und politisch Andersdenkende grausam ermordet. Aber all das konnte zum Glück, wenn auch sehr spät, gestoppt werden. Am 27. Januar 1945 rückte die Rote Armee in Auschwitz ein und befreite die noch lebenden Gefangenen.

Vor diesem Hintergrund wird dieser Tag zu einem wichtigen Gedenktag, der zum Innehalten in Auschwitz selbst, aber auch an anderen Orten einlädt: einerseits, um das Grauen zu reflektieren und andererseits, um Kräfte zu sammeln, damit man gemeinsam gegen moderne Formen des Faschismus und der Intoleranz angeht. Bei mir persönlich mischt sich darüber hinaus auch Freude in das Gedenken: Das System Auschwitz wurde besiegt und wir haben die Chance erhalten, es besser zu machen. Darum sollten wir diese ergreifen und Toleranz leben. Dabei kann das Christentum eine mögliche Handlungsgrundlage liefern.

Wovon haben Sie sich bei Ihren Fotoaufnahmen leiten lassen?

Auschwitz ist eigentlich „totfotografiert“. Allein im letzten Jahr waren deutlich mehr als eine Million Menschen dort und haben jeden Wachturm aus jedem Winkel fotografiert. Darum habe ich mir neben einigen rein dokumentarischen Fotos mein eigenes Fotokonzept überlegt. Es beinhaltet zwei Ansätze. Zu einem bin ich nah an „die Dinge“ herangegangen, um ihnen „auf den Grund zu gehen“. Ich habe also Details fotografiert, die erst auf den zweiten Blick oder nur durch meine Erläuterungen in Auschwitz verortet werden können.

Zum anderen wollte ich nicht in der Vergangenheit verharren und wählte Fotos aus, die man unter der Überschrift „Weiterleben nach Auschwitz“ zusammenfassen kann. Dabei spielen die Natur in Birkenau eine Rolle, aber auch Vorbereitungen zum 70. Jahrestag der Befreiung oder die Darstellung des Museumskonzeptes von Auschwitz.