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Der schöne Achim oder: Warum ich Pfarrerin wurde

Vermutlich kennen Sie den „schönen Achim“ nicht.

Heute ist er längst ein bisschen übergewichtig und der coole Pferdeschwanz einem Kurzhaarschnitt gewichen, der lichte Stellen besser überdeckt. Er spielt auch nicht mehr Gitarre in der Schülerband, sondern ist Berufschullehrer in der Nähe von Köln.

Aber damals, als es ernst wurde mit den wegweisenden Entscheidungen für mein Leben – da war der schöne Achim das Alpha-Männchen unser Jahrgangsstufe. Und ich war – ein Omega-Weibchen: uncool auf allen Ebenen, etwas dicklich und mit zu kurzen Beinen für die In-Jeans, mit fisseligem Haar statt langer Mähne. Wenigstens hatte ich keine Pickel, Gott sei Dank…

Im Sport war ich eine Niete und in die Disco ließen mich meine Eltern nicht. Ich schwärmte für den schönen Achim, wie alle Mädchen ringsum. Natürlich beachtete er mich nicht. Da er selbst ein guter Schüler war, brauchte er auch keine bei der er abschreiben konnte – also sah er mich vermutlich gar nicht.

Und doch: es war der schöne Achim, der mich die beste Entscheidung meines Lebens treffen ließ. Denn ein Erlebnis, bei dem er eine wichtige Rolle spielte brachte mich dazu, in unserer Kirchengemeinde in die Jugendgruppe zu gehen. Ich wurde Mitarbeiterin, bekam meine eigene Kindergottesdienstgruppe, der Pfarrer war super, ich wurde älter, stellte Fragen nach dem Sinn des Lebens… Und habe schließlich Theologie studiert. Und das ging so.

Es war beim Flaschendrehen – vielleicht kennen Sie das ja? Das Orakel bringt zwei zusammen, die dann irgendetwas miteinander machen müssen… Den schönen Achim traf das Los, mir einen Kuss geben zu müssen!

Ich hatte den Hauptgewinn gezogen! Sekundenlang konnte ich mein Glück nicht fassen – dann schoss die Röte in mein Gesicht (wie gesagt: makellos) – das war zu viel für mich, jetzt ein Kollaps… Und dann kam der wirkliche Schlag: der schöne Achim zog seinen Joker – einen gab es für den ganzen Abend – und war raus aus der Nummer mit dem Kuss.

Das Spiel ging weiter – aber nie mehr für mich. Nie mehr wollte ich mitmischen in Gruppen, in denen ich mich schlecht und unzulänglich fühlte! Ich wollte mich nicht anbiedern müssen und bestenfalls geduldet werden.

Ich wollte mir einen Ort suchen, an dem meine Gaben und Fähigkeiten gebraucht und geschätzt, gewürdigt und anerkannt wurden. Ich wollte stolz sein können auf mich und Ja sagen dürfen zu der, die ich bin.

So also kam es, dass ich heute Pfarrerin bin.
Der schöne Achim war mein Rufer in die Nachfolge Jesu.
Ein Engel(chen) in der Pubertätszeit.

Später habe ich diese biographische Wurzel meiner Berufsentscheidung als Auslegung des Wortes Jesu gedeutet: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!
Aufgerichtet zu werden und starke Tochter Gottes zu sein, das ist mir bis heute wesentlich. Und genau diese Erfahrung möchte ich Menschen ermöglichen, die mir heute begegnen. Dazu lade ich in unsere Gemeinden ein.

Immer wieder geschieht diese Geschichte. An jedem Ort findet Gott die manchmal seltsamsten Wege, sein Ding zu tun mit uns.

Ich habe Achim übrigens nie gefragt, ob er weiß, was ich ihm zu verdanken habe. Das bleibt ein Geheimnis, das wissen nur Gott und ich.

Anke Augustin

Ein Gedanke zu „Der schöne Achim oder: Warum ich Pfarrerin wurde

  1. Liebe Anke, es hat mich immer schon interessiert warum Du Pfarrerin geworden bist. Gottes Wege mit uns sind schon toll , kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Und aus allem Schlimmen wird irgendwann immer wieder Gutes, darauf können Christen hoffen. Ich sage jedenfalls: danke Achim!

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