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Vom Wachsen und Werden

Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das einer nahm und auf seinen Acker säte. Es ist zwar das kleinste unter allen Samenkörnern, aber sobald es hochgewachsen ist, ist es größer als alle anderen Gewächse und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten. (Matthäus 13, 31-32)

Die Sommerferien sind vorbei – und ich vermute, dass viele von Ihnen den „großen Sommerurlaub“ gerade hinter sich haben und dabei sind, sich wieder in den Arbeitsalltag einzufügen. Viele Leserinnen und Leser haben ihren Urlaub – zumindest einen Teil davon – sicher nicht hier in Essen verbracht, sondern in einer Umgebung, die mehr von der Natur als von der Stadt geprägt ist. Und so haben vielleicht auch Sie noch Bilder im Kopf von schönen Landschaften: vom Meer vielleicht oder von Bergen und Hügeln, von grüner Weite, von Wald und Feld, von Seen, von Bäumen… von so vielem, mit dem die Natur, mit dem Gottes Schöpfung uns beschenkt.

Ein kleines Stück von solcher Natur habe ich bei mir zuhause auf dem Balkon. Im Frühjahr dieses Jahres habe ich einige Samen ausgesät. Ein paar Blumen – mehr, als ich auf meinem Balkon unterbringen konnte. Die habe ich dann später an Freundinnen und Freunde verschenkt, die sie bei sich zuhause, auf dem Balkon oder im Garten, eingepflanzt haben. Bis heute bekomme ich Bilder per WhatsApp, die mir zeigen, wie sich die Pflanzen entwickelt haben. Wie groß sie geworden sind und wie schön die Sonnenblumen, die Levkojen, die Kornblumen blühen. Auch ein Apfelbäumchen steht da auf meinem Balkon. Er erinnert mich an den bekannten Satz vom Apfelbäumchen, der von so viel Hoffnung spricht – Hoffnung, mit der wir als Christinnen und Christen in dieser Welt unterwegs sein können: Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich doch heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen…

Die Bibel ist voll von Geschichten und Texten, die von der Natur erzählen. Das ist auch kein Wunder, denn in biblischer Zeit war den Menschen die Natur sehr viel näher als uns heute. Das Wachsen, das Werden und das Vergehen in der Natur waren ihnen sehr viel präsenter als uns Stadtmenschen heute, die wir nicht in einer solchen Abhängigkeit vom Ertrag der Ernte leben müssen wie die Menschen damals.

Auch Jesu Worte sind voll von Vergleichen und Bildern aus der Natur. Und so bin ich beim Nachdenken über das Wachsen und Werden an zwei Versen aus dem Matthäusevangelium hängen geblieben, die mir Hoffnung und Mut in der alltäglichen Arbeit machen und die ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Da heißt es:

„Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das einer nahm und auf seinen Acker säte. Es ist zwar das kleinste unter allen Samenkörnern, aber sobald es hochgewachsen ist, ist es größer als alle anderen Gewächse und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.“

Es ist eine große Hoffnung, von der Jesus hier spricht: Auch das Kleinste zählt, so sagt er uns. Wie groß oder klein unser Beitrag zum Werden des Himmelreiches auch sein mag – darauf kommt es nicht an. Wenn wir unsere Samen säen, dann wird Gott daraus werden lassen, was er mit ihnen vorgesehen hat. Aus den kleinsten Anfängen können große und schöne Dinge wachsen. Was uns unscheinbar und vielleicht wenig hilfreich erscheint, das kann groß, kann vielen Menschen zur Hilfe werden. Das Himmelreich ist wie ein Baum, dessen Anfängen wir einst kaum Beachtung geschenkt haben. Und durch dessen Größe und Schönheit Gott doch für uns seine Verheißung eines guten Lebens für alle sichtbar macht.

„Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land – doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand“ – das bekannte Lied aus dem Gesangbuch enthält ein wichtiges Bekenntnis: Nicht nur im Garten oder auf dem Balkon – oder in der Landwirtschaft –, sondern auch in und mit unserer alltäglichen Arbeit und mit unserem Engagement für die Kirche säen wir Samen, von denen wir hoffen, dass sie beitragen zu Gottes großem Projekt: dem Himmelreich. Ob in unseren Diensten und Gemeinden oder in der Verwaltung – wir tun, was wir tun können. Wir tragen dazu bei, dass aus kleinen Samen die Schönheit der Welt Gottes sichtbar werden kann.

Es muss nicht perfekt sein. Und es ist auch nicht unsere alleinige Verantwortung, ob aus den Samen, die wir säen, große Bäume für die vielfältigen Vögel dieser Welt werden können. Gott steht uns bei: das Wachsen und Werden steht in des Himmels Hand.

Wir bekennen, dass nicht alles in dieser Welt von uns alleine abhängt. Wir bekennen unser Vertrauen darauf, dass Gott den Samen, den wir Menschen säen, wachsen lassen wird. Wir vertrauen darauf, dass auch jenseits unserer Bemühungen und unserer Arbeit eine Kraft arbeitet, die uns selbst – und der ganzen Welt – wohlgesonnen ist. Nicht immer können wir diese Kraft (leicht) erkennen. Aber sie ist mit uns unterwegs, heute und alle Tage.

Erika Meier