Dieser Beitrag wurde 2.466 mal aufgerufen

Vater, Sohn und Heiliger Geist

Vor einigen Tagen hat uns wieder eine weitere Frage zum christlichen Glauben erreicht, die wir gern in unserem Blog beantworten: Es geht um die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes, der sogenannten Trinitätslehre.

Die Frage lautet:

Ich glaube an Gott, den Vater… und den Sohn… und den Heiligen Geist. So bekennen wir es jeden Sonntag im Gottesdienst. Was sich so leicht sagt, ist allerdings schwer zu begreifen. Glauben wir etwa an drei Götter? Ganz bestimmt nicht. Aber wie sollen wir diese Wendung sonst verstehen? In der Bibel und im Glaubensbekenntnis werden Vater, Sohn und Heiliger Geist immer wieder eigenständig dargestellt. Wie können Vater und Sohn eins sein – und was ist der Heilige Geist?

Antwort:

Menschen begreifen – und leiden – unter ihrer Sterblichkeit. Sie stellen den Sinn ihres Lebens infrage, wenn doch am Ende alles nichtig, vergebens und bedeutungslos ist. Sie sehnen sich nach einem „höchsten Wesen“, das sie befreit von dieser Not. Sie nennen dieses Wesen „Gott“ und erhoffen von ihm, dass es ihnen Wirkmächtigkeit, erlebte Gerechtigkeit, die ungebrochene Erfahrung von Beziehungen und schließlich ein Leben nach dem biologischen Tod ermöglicht. Eigenschaften wie „allmächtig“, „unendlich“, „ewig“, „vollkommen“, „absolut gerecht“ werden ihm beigegeben. Eigenschaften, die all das sind, was wir Menschen NICHT sind.

Gleichzeitig fürchten Menschen, dass es dieses Wesen gar nicht wirklich gibt – sondern vielmehr nur ihren Sehnsuchtsfantasien entspringt. Mithin der Glaube daran nur Selbsttäuschung und Selbstbetrug ist. „Gott ist tot“ sagte einst der Philosoph Friedrich Nietzsche – und meinte dieses Bild von Gott, entworfen in den Köpfen der Menschen.

Die christliche Theologie beharrt demgegenüber mit aller Vehemenz darauf, dass es nur einen Ort gibt, wo wir Menschen etwas Wahres von Gott erfarhen können: im biblischen Zeugnis, allem voran in der Geschichte Jesu Christi. Hier – und nur hier – stellt sich Gott vor.

Was wir nun im biblischen Zeugnis über Gott erfahren, ist so ganz anders als es unsere Sehnsucht erträumte: Gottes Volk widersetzt sich seinem Willen ständig – und Gott macht nicht „kurzen Prozess“, um seine Ehre wiederherzustellen! Gott kommt als einfacher Mensch zur Welt – mit all den Eigenschaften, die allzu menschlich sind, Angst, Traurigkeit und Leidenschaft inklusive. Gottes Sohn stirbt am Kreuz – und Gott greift nicht im letzten Moment mit imponierender Gewalt ein.

Dieser Gott erfüllt die Fantasien der Menschen keineswegs. Dieser Gott taugt nicht als Größenfantasie zur Abwehr menschlicher Todesangst! Dieser Gott ist viel zu menschenfreundlich, als dass er von Menschen als „höheres Wesen“ erdacht hätte werden können.

Und gerade deshalb ist ER der Eine und Einzige, dem zu vertrauen im Leben und im Sterben zu riskieren sich lohnt! Wer diese Lektion gelernt hat, weiß: Wer und wie der eine wahre Gott IST, entzieht sich immer notwendig unserem Verstand. Da, wo einer meint, Gott beweisen, erdenken, ableiten zu können aus etwas, das von dieser Welt ist – da begegnet man gewiss allem Möglichen, nur nicht dem lebendigen Gott.

Doch brauchen auch die Menschen, die ihre Lektion verstanden haben und sich voller Vertrauen an das biblische Zeugnis von Gott klammern, so etwas wie „Futter für ihren Verstand“, mit dem uns Gott ausgestattet hat. Auch Gläubige wollen verstehen und nachvollziehen können, was der Inhalt ihres Glaubens ist, sie wollen nicht nur blind und ohne Einsicht eine „Geheimlehre“ nachplappern müssen.

So entsteht die Theologie als Wissenschaft, die anhand des biblischen Zeugnisses prüft, wie sachgemäß eine Aussage über Gott wohl ist. Aber alle theologische Lehre hat ihre klare Grenze, ist doch auch sie Menschenwerk, Gedanke von Menschen – mehr nicht.

Die Lehre von der Dreieinigkeit bzw. Dreifaltigkeit Gottes, die sogenannte Trinitätslehre, ist eine solche theologische Lehre. Sie ist in einer bestimmten Zeit der Kirchengeschichte, nämlich um 400 n. Chr., zur Befriedung der damaligen gefährlich gespannten kirchenpolitischen Lage entstanden.

Im Kern geht es darum, die Erfahrung, die die Christen mit ihrem Gott gesammelt haben, nämlich dass er ihnen in allen Nöten des Lebens zuverlässig ein starker Fels, unbedingter unerschütterlicher Halt, Ordnung und Struktur gebender, alles Chaos sicher abwehrender Maßstab ist – festzuhalten und weiterzugeben (biblische Zeugnisse reden hier von Gott als Hirte, Vater, König, Herrscher, Sieger…)

Und gleichzeitig aber auch, diese weitere Erfahrung mit ihrem Gott als gültig festzuhalten: Gott geht mit dir auf Augenhöhe, ist dir in jeder deiner Schwäche unendlich nah, leidet deine Ohnmacht mit dir, teilt dein menschliches Schicksal ohne alle Abstriche (biblische Zeugnisse reden hier von Jesus, dem bis zum Tod gehorsamen, dem versuchten, dem wahren Menschen, dem sich in Knechtsgestalt entäußernden Gott).

Für den menschlichen Verstand sind dies unvereinbare Gegensätze – was ist er denn nun, euer Gott? Stark oder schwach, allmächtig oder ohnmächtig – triumphierend im Himmel oder angefochten auf Erden… – das werden Christen ja bis heute gefragt. Anhänger anderer Religionen registrieren die komplizierte theologische Rede von „dem einen Gott, der in dreierlei Gestalt dem Menschen entgegentritt“ mit Unverständnis, und auch vielen Christen wird sie zur Anfechtung. „Scheint es schon schwer genug, in der modernen Welt überhaupt noch an Gott zu glauben, so erscheint die Zumutung, diesen einen Gott in der Dreigestalt von Vater, Sohn und Heiligem Geist zu erkennen, vollends verwirrend und abschreckend“, schrieb der evangelische Theologe und Journalist Stephan Cezanne im Jahr 2002.

Dass dennoch beide Aspekte der Erfahrungen, die Menschen mit Gott machen, zusammengehalten werden können in meinem Leben – dass Menschen diese gegensätzlichen Beschreibungen der Gotteserfahrung dennoch als vereint und sinnhaft erleben und bejahen können und als tragfähige Grundlage ihres Lebens nutzen – dass dies möglich ist, das ist in der Sprache der theologischen Lehre: das Werk des „Heiligen Geistes“.

Hier wirkt Gott selbst. Anders ginge es nicht – von Menschen ist dieser Glaube nicht zu erwirken, nicht zu initiieren, nicht zu konstruieren…, sondern nur aus Gottes Hand dankbar entgegenzunehmen.

Die „dritte Person“ – der Heilige Geist – also ist die Kraft, die Menschen glauben, hoffen, lieben lässt – da, wo verstehen, wissen, beweisen, erfassen, evaluieren… längst seine Grenzen erreicht hat. Es ist die Kraft, die Menschen trotz aller Angst vor der vernichtenden Gewalt des Todes getröstet sterben lässt – in der Hoffnung, ihrem „Bruder“ Jesus nachzufolgen in das Leben in Fülle, das der „himmlische Vater“ für sie vorbereitet hat.

Es ist die Kraft, die Menschen trotz allen Wissens um die Begrenztheit ihrer Fähigkeiten unbeirrbar arbeiten lässt für eine Welt, deren Vision Jesus von Nazareth glaubwürdig und einladend gelebt hat und deren letztendlicher Sieg verbürgt ist in dem Lebensplans des Schöpfers aller Dinge, der gut gemacht hat das Werk seiner Hände.

Anke Augustin