Atmen und Beten

Seit ich bei meiner Arbeit in der Krankenhausseelsorge täglich mit Mund- und Naseschutz unterwegs bin, kommt mir bisweilen das Gesangbuchlied „Gott gab mir Atem“ in den Sinn und auf die Lippen, auch wenn Pfeifen und Singen derzeit unerwünscht sind. „Gott gab mir Atem“, das stimmt ja – aber unter der FFP2-Maske wird die Luft trotzdem manchmal ganz schön dünn, besonders wenn ich bei den Besuchen auf den Krankenzimmern zusätzlich ein Faceshield trage.

Eine gute Seite hat die Atemnot: ich achte jetzt noch bewusster auf mein Atmen. Ich versuche regelmäßig in den Wald zu gehen um frei und ungehindert atmen zu können. Und entdecke, dass mein Atmen und mein Beten enger zusammengehören als mir das früher klar war. Weiterlesen

Ein preußischer Protestant als Dombaumeister in Köln

Er entstammt einer evangelischen Familie mit zwölf Kindern. Er ist das vierte gewesen: Ernst Friedrich Zwirner. Er kam am 28. September 1802 in Jakobswalde, Landkreis Cosel in Oberschlesien, Nähe Gleiwitz, heute Gliwice, zur Welt. Sein Vater Ernst Friedrich Traugott war Hütteninspektor und Polizeidistriktkommissar. Seine Mutter Eleonore Helene Marianne Augustini hat zwölf Kinder großgezogen. Von 1816 bis 1819 besuchte er das Gymnasium in Brieg. Hieran schloss sich eine Ausbildung an der Bauschule in Breslau an. Nach einjähriger Militärzeit war er in Breslau als Vermessungskondukteur tätig. Weiterlesen

Der Apostel Paulus war ein Körnerpicker wie wir alle

„Der Apostel Paulus war ein Körnerpicker wie wir alle“ – was soll das heißen? Ein einziges Mal wird Paulus im Neuen Testament so genannt, „Körnerpicker“, griechisch spermológos. Das berichtet oder denkt sich der Evangelist Lukas, des Apostels erster Biograph, aus und erzählt lebendig davon in seiner Apostelgeschichte, im Kapitel 17. Davon will ich jetzt berichten, so kurz es geht.

Als der Apostel Paulus in die berühmte Stadt Athen gekommen war, um hier Jesus Christus zu verkündigen und wo sein missionarischer Erfolg fast gleich Null gewesen ist, versäumte Lukas die Gelegenheit nicht, die Kenntnisse des Apostels in der jüdischen und hellenistischen Tradition auf diesem besonderen Terrain auszubreiten. Und der Evangelist weiß, warum! Auf der Agorá, dem Forum, dem Markt Athens, stellten weise Häupter wie Sokrates und andere ihre philosophischen Fragen und versuchten die Bürger zum Nachdenken zu bringen. Weiterlesen

Zum Holocaust-Gedenktag

Ich stand auf dem S-Bahnhof und wartete auf den Zug. Ein Stück entfernt von mir, ein Jugendlicher, 15 oder 16 Jahre alt. Er sprach mit einem Freund am Handy. Wortfetzen drangen an mein Ohr. Er begann zu schimpfen: „Die alte Judensau, wenn ich die erwische…“ Ich schaute unwillkürlich zu ihm hinüber. Was hatte er gesagt? Bevor ich reagieren konnte, kam der Zug und er war weg.

Die Äußerung ging mir noch einige Zeit nach: Weiß er, was er da gesagt hat? Ich vermute nicht. „Judensau“ benutzt er als eines seiner Schimpfworte. Gedankenlos, rücksichtslos daher gesagt, ohne ein Gefühl dafür, welche Auswirkungen das haben kann – vielleicht sogar auf jüdische Mitmenschen, die zufällig auch auf dem Bahnsteig stehen. Weiterlesen

Was uns trägt

Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. (2. Mose 19,1-6)

„Was ist das nur für eine verrückte Zeit – da komme ich nicht mehr mit.“ Wie oft haben wir diese Worte in den letzten Wochen und Monaten gesagt oder wie oft haben wir uns ebenso gefühlt? Verrückte Zeiten – die erleben wir immer wieder. Corona ist da nur das Sahnehäubchen. Allerdings ein gewaltiges und ein besonderes – das ist wohl wahr.

Das Problem ist und bleibt die Ungewissheit, dieses Gefühl, nicht zu wissen, wohin das Ganze läuft. Das Ende scheint offen. Das macht Sorgen und lässt zweifeln. Aber auch das alles ist nicht neu, sondern begleitet die Menschheit von allem Anfang an. Weiterlesen

Von Angesicht zu Angesicht

Michelangelo Buonarotti (1475 – 1564) bringt in seinem Gebet im Alter und beim Sterben, das in unserem Evangelischen Gesangbuch steht, seine Hoffnung auf die Ewigkeit zum Ausdruck: „Hilf mir, geduldig zu sein. Zeig mir dein Antlitz, je mehr mir alles andere entschwindet. Lass mich den Atem der Ewigkeit verspüren, nun, da mir aufhört die Zeit“ (vgl. EG 978).

Michelangelo bittet nicht: Gott, Vater, zeig mir dein Antlitz. Er bittet auch nicht: Gott, Sohn, Jesus Christus, zeig mir dein Antlitz. Aus seinem künstlerischen Schaffen heraus könnte man auf beides schließen. Wir wissen es nicht. In der christlichen Kunst-geschichte ist die Darstellung Jesu Christi neben der Darstellung der Gottesmutter Maria von den Anfängen bis in die Gegenwart das Kardinalthema schlechthin. Weiterlesen

Sabbat oder Sonntag?

Wie verbringen Sie Ihren freien Tag in der Woche, den Sonntag? Wahrscheinlich haben Sie auch – wie wir fast alle – Mosaikstücke des jüdischen Sabbats und des christlichen Sonntags. Fangen wir mit den Bibeltexten an:

2. Mose 20,8ff: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles was darinnen ist und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“ Weiterlesen

Ein ganz besonderer Weg

Jesus Christus spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch mich. (Johannes 14,6)

Nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums wendet sich Jesus unmittelbar vor seiner Passion in einer Abschiedsrede an seine Jünger. Er kündigt seinen Abschied an mit den Worten: „Wo ich hingehe, den Weg wisst ihr.“ Der Jünger Thomas antwortet fragend: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?“ Darauf dann die Antwort Jesu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Thomas stellt hier Jesus die Grundsatz-Frage nach der Orientierung des Lebens. „Wohin gehst du? Wohin sollen wir gehen, Jesus?“ Und Jesu Antwort ist von ebenso grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist keine Ortsangabe für das eigene Lebensziel. Jesu Antwort meint vielmehr: „Verlasst euch in allen Wohin-Fragen des Lebens auf mich. Ich selbst bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Ich selbst bin die Antwort auf die Wohin-Fragen eures Lebens.“ Weiterlesen

Viele Wahrheiten – ein Gott | In Zeiten von Corona #18

Wohl dem Volk, das jauchzen kann! Herr, sie werden im Licht deines Antlitzes wandeln. (Psalm 89,16) – Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (Epheser 5,8-9) | Herrnhuter Tageslosung für den 3. April 2020

Wo es Kinder des Lichts gibt, muss es auch Kinder der Finsternis geben? Die Kirchengeschichte zeigt, dass man diese Konsequenz nur allzu oft mit logischer Folgerichtigkeit und mit grausamen Folgen gezogen hat. Die ersten Opfer solcher Auslegung unserer Tageslosung waren die Jüd*innen; welche Blutspur das nach sich zog, ist bekannt. Später wurden unzählige Männer und Frauen von den unterschiedlichsten Inquisitoren gefoltert und gequält, damit ihr dunkles Wesen ans Licht gezerrt würde. Weiterlesen

Grund allen Seins, Schöpfungskraft | In Zeiten von Corona #7

Herr, du bist ‘s allein, du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit ihrem ganzen Heer, die Erde und was darauf ist, die Meere und alles, was darinnen ist. (Nehemia 9,6) – Gott hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat viel Gutes getan und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, hat euch ernährt und eure Herzen mit Freude erfüllt. (Aostelgeschichte 14,17) | Herrnhuter Tageslosung für den 23. März 2020

Um Gottes kreativen Geist geht es in der heutigen Tageslosung. Immer schon haben die Menschen sich die Frage gestellt, wo denn das Leben herkommt. Israelit*innen, Jüd*innen und Christ*innen haben darauf die Antwort gegeben, dass es der transzendente Gott höchstpersönlich ist, der die Welt in einem äußerst kreativen Akt geschaffen hat.

Gleich zwei Schöpfungsberichte erzählen von der ungeheuren Schöpferkraft Gottes, der allein durch sein Wort und mit spielerischer Kraft, das hervorbringt, was kein Mensch je erzeugen könnte.  Hier spiegeln sich die Erfahrungen wider, die die biblischen Erzähler*innen mit der lebensförderlichen Nähe und Fürsorge Gottes gemacht haben. Weiterlesen