Die Perspektive wechseln

Du bist ein Gott, der mich sieht. (1. Mose 16,13 – Jahreslosung für 2023)

Menschen sehnen sich danach, gesehen, wahrgenommen, respektiert zu werden. Menschen sehnen sich nach Ansehen. Gerade in der digitalen Welt stellt man sich gern zur Schau. Man twittert seine spontanen Gedanken in die Welt hinaus, versendet Selfies, postet Videos. Die Botschaft ist immer die gleiche: Nimm mich wahr, respektiere mich, sieh mich an. „Video“ ist lateinisch und heißt bezeichnender Weise: „Ich sehe.“

Wir brauchen die anderen. Unsere Identität hängt daran. Der Philosoph Martin Buber hat das einmal so ausgedrückt: „Der Mensch wird am Du zum Ich. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Für den Menschen ist es also lebensnotwendig, dass jemand ihm gegenübersteht, ihn ansieht, mit ihm redet, ihn anerkennt, sonst verliert er sich selbst. Völlig bindungslos kann der Mensch nicht leben. Weiterlesen

Gottes Like ist uns sicher

Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! (2. Könige 19,16)

„Sieh her, was ich schon kann!“ oder „Hör mir zu, ich will dir etwas erzählen!“ Für kleine Kinder ist es sehr wichtig, dass sie gesehen oder gehört werden. Stolz zeigen sie den Eltern, was sie neu gelernt haben oder sie erzählen den Großeltern, was sie erlebt haben.

Wer Aufmerksamkeit bekommt, fühlt sich wertgeschätzt. Das bleibt ein Leben lang so. Doch wenn Kinder größer werden, sind es nicht mehr die Eltern, die als Zuschauer*in oder Zuhörer*in gefragt sind, wichtig ist jetzt, wie die anderen einen wahrnehmen. Sehen sie mich so, wie ich gerne gesehen werden will? Werde ich gesehen oder eher übersehen? Werde ich gehört oder zählt meine Stimme nicht? Auf der Suche nach der eigenen Identität ist die Frage, ob und wie man gehört und gesehen wird, ganz zentral. Weiterlesen

Wer bin ich? | In Zeiten von Corona #11

Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeden nach seinem Tun. (Jeremia 17, 9-10) – Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind, und können vor ihm unser Herz überzeugen, dass, wenn uns unser Herz verdammt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle Dinge. (1. Johannes 3,19-20) | Herrnhuter Tageslosung für den 27. März 2020

„Herz“ ist der Schlüsselbegriff unserer Tageslosung. Gleich viermal kommt er dort vor. Wenn die Bibel vom Herz spricht, dann geht es um die Identität des Menschen. Was wir heute als Psyche-Dimension des menschlichen Lebens bezeichnen (und die, anders als es die biblischen Menschen wissen, organisch mit unserm Gehirn und nicht mit unserm Herzen zu tun hat), das erfasst die Bibel mit dem Begriff „Herz“.

Das Herz ist das Zentrum des Menschen, seines Willens, seiner Entschlüsse. Es ist für die Gefühle zuständig, aber auch für alles, was mit Verstand, Vernunft, Entscheidungsfähigkeit, Gewissen, selbständigem Handeln in Verbindung steht. Das Herz ist der Sitz der Liebe und der Personalität. Weiterlesen

Wunder – oder „Das Universum kümmert sich um all seine Vögel“

Waren Sie in diesem Jahr im Kino und haben den Film „Wunder“ gesehen? Wenn nicht, haben Sie etwas verpasst. „Wunder“ ist die filmische Umsetzung des gleichnamigen Bestsellers von Raquel J. Palacio aus dem Jahr 2012. Film und Buch erzählen die Geschichte eines Jungen, dessen Gesicht von Geburt an unübersehbar entstellt ist. „Ein Buch, das erwachsene Männer zum Weinen bringt.“ Dieses Zitat aus der britischen Zeitung „The Guardian“ auf dem Klappentext des Buches habe ich anfangs belächelt. Ich gestehe, am Ende kamen mir beim Lesen tatsächlich die Tränen, was mir nicht oft passiert. Im Kino war das nicht anders. Weiterlesen