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Lasst uns Weihnachten im Herzen tragen

Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. (Hesekiel 37,27)

Der Heilige Abend ist ein ganz besonderer Tag, das spüren auch die, die besonders lebhaft beteuern, dass er ein Tag wie jeder andere sei. Ist er nicht. Der 24. Dezember ist etwas Besonderes, das weiß ich seit ich auf der Welt bin, naja, vielleicht erst ein, zwei oder drei Jahre später. In einem Pfarrhaushalt groß geworden, war dieser Tag einer der schönsten und arbeitsreichsten.

Zu Hause war dann immer viel zu tun. Das Weihnachtszimmer war schon mit einem Betttuch verhangen, selbst durchs Schlüsselloch konnte man nicht mehr spinksen, aber überall drumherum war noch viel zu tun.

Aufgeräumt werden musste, Menschen in der Gemeinde brauchten noch einen Besuch, da hatte mein Vater immer eine längere Liste, und als wir Kinder endlich so groß waren, dass wir losgeschickt werden konnten, mussten auch wir den einen oder anderen Besuch – ausgestattet mit einem Alpenveilchen oder einem Weihnachtsstern – übernehmen.

Man selbst hatte natürlich auch noch das ein oder andere auf dem Zettel, hier noch was einpacken, da noch was schreiben, im schlimmsten Fall zu Ende basteln, Abendessen vorbereiten, es gab immer Heringssalat mit Roter Beete, mochte ich gar nicht, um Mitternacht, nach dem letzten Gottesdienst gab es Obstsalat, na, das musste auch alles geschnippelt werden und bei fünf Kindern im Haus, einer Mutter, die alles koordinieren musste und einem Vater, der mindestens zwei Gottesdienste zu halten hatte…

Es war sehr unruhig, manchmal war auch wer genervt, vielleicht gab es sogar mal kleinere Auseinandersetzungen, auf jeden Fall aber wurde geschimpft, wenn man sich im feinen Heiligabenddress noch die Zähne putzte  und womöglich auf die frisch gebügelte Bluse kleckerte… Da ich in Vaters Fußstapfen gestiegen bin, ist es heute nicht anders bei mir, nur dass ich keine Kinder losschicken kann, die mir etwas abnehmen.

Wie dem auch sei: der 24. Dezember war und ist kein Tag wie jeder anderer, er ist besonders, in meinem Leben immer ein wenig hektisch und ein bisschen aufgeregt, voller Energie und mit vielen Gedanken bei anderen Menschen, aber sobald wir damals, und das Gefühl ist geblieben, sobald ich also heute an einem 24. Dezember in einem Gottesdienst sitze, die ersten Töne auf einer Orgel erklingen, bin ich zu Hause, wird alles ruhig in mir und ich werde friedlich.

Es ist, als würde sich die Stimmung von vor über zweitausend Jahren durch all die Zeit hindurch bis zu mir durcharbeiten, auch damals war, wie wir eben gehört haben, nach der Geburt des Jesuskindes Friede im Stall.

Es war nicht ruhig, das war es sicher nicht, mit Ochs und Esel, da muhte und wieherte sicher mal das ein und andere Tier, mit Hirten, die mal eben schnell vorbeischauen wollten, weil Engelgesang und Engelnachricht sie geschickt hatte… also nicht ruhig, aber friedlich.

So friedlich, wie es eben ist nach einer Geburt, die glücklich verlaufen ist, wo alles sich gefügt und man seinen vorläufigen Platz gefunden hatte.

Frieden. Frieden, der sich durchträgt bis heute an diesem besonderen Tag.

Ja, ich ahne, der ein oder die andere, die mich jetzt hört, denkt vielleicht: na, die hat gut reden, stimmt doch gar nicht. Überall auf der Welt ist es unfriedlich. Unfriedlich zwischen einzelnen Völkergruppen, unfriedlich zwischen Anhängern der unterschiedlichsten Religionen, unfriedlich im eigenen Land, vielleicht sogar in der eigenen Familie, in mir selber drin…

Das mag alles stimmen, ich will gar nicht behaupten, dass wir in friedlichen Zeiten leben, aber… aber sobald man sich einer Krippe nähert, eigentlich sobald man eine Kirche betritt, so hat neulich ein Patient zu mir gesagt, der auch immer vor und nach seinem Termin bei uns in der Kapelle reinschaut, also immer, wenn man eine Kirche betritt, wenn man bewusst auf Gott zugeht, dann verändert sich etwas in einem, dann wird man ruhig und wie ich finde: friedlich.

Und an einem 24. Dezember, wenn man dann noch vor einer Krippe steht, gemeinsam mit anderen in einem Gottesdienst sitzt, die alten Worte hört und sich erinnert, dann, das sage jetzt ich, dann wird es wirklich friedlich in und um einen herum, wenigstens für einen Moment.

Von diesem Frieden, nein eigentlich einem viel größerem Frieden,  spricht auch der Prophet Hesekiel im Namen Gottes. Großes wird da verheißen. Der für den Heiligen Abend vorgeschlagene Predigttext ist aufgeschrieben beim Propheten Hesekiel im 37. Kapitel, Verse 24 bis 28:

„Und mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun. Und sie sollen wieder in dem Lande wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, in dem eure Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer, und mein Knecht David soll für immer ihr Fürst sein.

Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer. Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein, damit auch die Völker erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird“ (Hesekiel 37,24-28).

Ja, im Auftrag Gottes bringt Hesekiel diese frohe Botschaft an die Menschen, verkündet und verspricht einen Bund des Friedens zwischen Gott und seinem Volk, verspricht, dass es ewig währen wird; und in der Weihnachtsgeschichte hören wir, wie die Engel diese frohe Botschaft den Hirten auf dem Feld ins Ohr singen, ihnen versichern, das wahr geworden ist, was einst von Hesekiel verkündet wurde.

Und die Hirten werden nicht nur aufgefordert zu hören, sondern auch zu sehen, vielleicht sogar anzufassen: Dort in der Krippe liegt der, der das Unterpfand für dieses Versprechen ist, dort liegt der Friedensbringer, dort liegt Gottes Sohn und er verändert die Welt.

Vielleicht hat ja auch noch der eine oder andere Engel über dem Stall vor sich hin gesummt und gesungen, dass nun Friede ist auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Vorstellen könnte ich mir das.

Und die Menschen, die an diesem Abend das Glück haben, diesen Friedensbringer zu sehen und zu begreifen, alle diese Menschen gehen verändert, ziehen friedlich weiter ihrer Wege, versäumen aber nicht, von dem zu berichten, was sie erlebt haben.

Doch so fröhlich und laut wie es losgeht, mit singenden Engeln am Himmel,  dem Friedensbringer in der Krippe, den glücklichen Hirten und vielleicht auch den stolzen Eltern, so unfriedlich wird es um Jesus herum. Es ist, als dürfe kein Friede sein, als dürfe nicht wahr werden, was Gott verheißen hat. Schon direkt nach seiner Geburt trachtet Herodes ihm nach dem Leben und viele unschuldige Kinder müssen ihr Leben lassen.

Kaum ist er erwachsen, gibt es Tumult, wo auch immer er auftaucht. Ständig hat er Gegenspieler und Menschen, die ihn klein halten wollen, es am liebsten hätten, wenn er verschwindet. Kein Wunder, das er vollbringt, über das es nur und ausschließlich große Freude gibt, nein, im Hinterhalt sozusagen, manchmal aber auch ganz öffentlich gibt es Anfeindungen und Kritik, trachtet man ihm nach dem Leben und gibt erst Ruhe, als er wirklich stirbt.

Wobei – dann geht es erst richtig los, denn nun haben sich die Mächte der Welt verschoben, der Tod geht nicht als Sieger hervor.

Und so mag es jetzt zwar hier friedlich in der Kapelle sein, aber womöglich direkt vor der Kapellentür schon nicht mehr.

Was ist wahr? Ist Friede? Ja, es ist Friede. Und Sie können ihn spüren. Überall, wo man sein Herz für Jesus öffnet, wo man bewusst auf ihn zugeht, ihm folgen möchte, überall, wo man ihn wahrnimmt, seine Zeichen erkennt, da ist Friede. Auch wenn er Tumulte verursacht hat, auch wenn er nicht unumstritten war, überall da, wo man ihn wirken ließ, wurde Welt verändert und wird auch heute noch verändert.

Immer, wenn man eine Kirche betritt, wird es ruhig und friedlich in einem, sagt mein Patient; immer, wenn man einen Blick in eine Krippe wirft, wird es friedlich in einem, wenn wir Gott zulassen. Und so wäre mein diesjähriger Wunsch an uns alle, der Wunsch, den ich jedes Jahr habe: lasst uns Weihnachten im Herzen tragen, damit Friede werde.

Amen.

Friederike Seeliger