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Ich denk‘ an dich!

Was ist schon der Mensch, dass du an ihn denkst? (Psalm 8,5)

Jeden Morgen stehe ich vor dieser Tür. Dahinter ist meine einjährige Tochter und schreit. Und ich stehe da und weiß nicht mehr: Tue ich das Richtige? Ich will wieder reingehen und zu meiner Tochter sagen: Ich bin doch da, ich vergesse dich doch nicht!

Vielleicht kennen Sie das: Man möchte sein Kind am liebsten gar nicht hergeben. Es ist so schön, zu sehen, wie es spielt und lernt. Man möchte ja auch aufpassen und das Kind beschützen. Aber man muss dem Kind auch etwas zutrauen. Es geht nicht anders. Es muss lernen, erste eigene Schrittchen zu machen. Es darf die Welt entdecken. Eltern wissen: Es ist nötig, das Kind immer mehr loszulassen; aber es ist schwer, sich zurückzunehmen. Ein Kind weiß ja auch noch nicht, dass es gut ist, wenn ich es der Tagesmutter gebe und dann weggehe. Es hat keine Ahnung davon, dass es später mal Verantwortung übernehmen muss, dass es sein Leben gestalten muss, dass es Dinge allein schaffen muss. Es fühlt sich allein und verlassen.

Und wir Erwachsenen? Fühlen uns immer noch manchmal verlassen. Auch von Gott. In Psalm 8, Vers 5 steht: Was ist schon der Mensch, dass du an ihn denkst?

Ja, wer sind wir denn eigentlich? Kleine Menschen, die sich unheimlich wichtig nehmen. Aber diese Frage in der Bibel geht davon aus, eigentlich unfassbar, dass Gott – Gott! – an uns Menschen denkt. Er ist der Schöpfer des Universums, der Einzige mit Überblick über diesen ganzen Haufen Welt und er interessiert sich auch noch dafür.

Und ich denke unverschämter Weise: Dass Gott an mich denkt, ist aber ziemlich wenig. Immerhin ist Gott weder zu sehen noch zu hören. Und mein Leben, mit allem Schmerz und allen Schwierigkeiten muss gelebt werden. Dass einer an mich denkt, hilft mir da auch nicht. Oder?

Vielleicht erinnern Sie sich an Herausforderungen Ihres Lebens. Die Sachen, die sie bewältigt haben; und das, was sie zu überwältigen drohte. Und vielleicht fallen Ihnen sofort die Menschen ein, die in diesen Zeiten für Sie da waren. Deren „Ich denk an dich“ ernst gemeint war. Die Sie begleitet haben und noch begleiten.

Aus solchen Erfahrungen heraus kann ich sagen: Wenn einer an mich denkt, hilft mir das schon. Wenigstens zu wissen, dass da jemand an mich denkt, gibt mir Kraft. Klar muss ich trotzdem manches alleine schaffen. Aber wer sich durch andere getragen weiß, ist zuversichtlicher. Wir Menschen sind ja nicht nur rational, sondern auch emotional. Es tut uns gut, zu wissen, dass jemand an uns denkt. Weil wir wissen: Da ist jemand, der sofort kommt und mir hilft, wenn ich ihn rufe. Jemand, der mir beisteht. Aber diese Hilfe im Hintergrund bemuttert oder bevormundet nicht. Sondern gibt mir Verantwortung, traut mir etwas zu.

Das ist auch in diesem Psalmvers gemeint. Gott denkt an uns, das ist großartig! Gott, der Schöpfer dieser ganzen Welt, denkt an mich. Ich bin ihm nicht egal. Keine Ahnung warum, ich bin den meisten Menschen egal, aber Gott, der denkt an mich. Und mehr noch:

„Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan.“ (Psalm 8, Verse 6 und 7)

Gott, der uns gemacht hat, stattet uns aus mit Würde, mit Herrlichkeit. Er stellt uns nicht einfach irgendwo ab, sondern beschenkt uns auch noch. Er vertraut uns seine Erde an, er vertraut uns einander an.

Für mich heißt das: Wir sollen gestalten. Unser Leben, unsere Gemeinde, unsere Familien und Freundschaften. Es ist gut, dass Gott uns was zutraut. Dass er alles unter unsere Füße getan hat, damit wir damit umgehen dürfen. Damit wir daran Verantwortung lernen. Damit wir herausfinden, wer und was wir sind. Damit wir selber erste eigene Schritte machen, so wie mein Kind bei der Tagesmutter.

Dass Gott uns Freiheit gibt, bedeutet auch, dass er sich zurücknimmt. Gott lässt uns machen. Er traut uns etwas zu. Und wir dürfen wissen: Wenn wir ihn brauchen und nach ihm rufen, ist er sofort da. Und unter all das setzt er sein ernst gemeintes: Und ich denke an dich. Aus Liebe gesprochen. Das ist etwas wahrhaft Gutes.

Tabea Meyer