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Du bist schön!

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. (Psalm 139,14)

Es ist wieder einmal ein ungewöhnliches Thema, das diesjährige Motto der evangelischen Fastenaktion 7 Wochen ohne: „Du bist schön! – 7 Wochen ohne Runtermachen.“ Kritisch wurde schon angemerkt: Der erste Satz klingt eher nach der Überschrift eines Lifestyle Magazins. Wo ist da „das Christliche“? Im zweiten Satz, der moralischen Aufforderung, ist das Christliche leichter erkennbar: Sich sieben Wochen lang darum zu bemühen, andere Menschen nicht so oft „runterzumachen“. Nicht mit Worten, nicht mit Taten und auch nicht in Gedanken. Das ist unzweifelhaft christlich. Aber damit sind wir schon mittendrin im Thema. Wieso empfinden wir es nur als christlich, Andere gut zu behandeln? Oder sie schön zu finden? Genau deshalb ist dieses Thema gewählt. DU, Leser, und DU, Leserin, bist schön! Das zu sagen fällt fast allen Menschen schwer.

Wenn Sie dazu gehören und den Satz „Ich bin schön“ nicht laut nachsprechen können, dann haben Sie vielleicht gerade „Ihr“ Thema für die kommende Fastenzeit bis Ostern gefunden: Lernen, sich selbst schön zu finden. Das ist eine christliche Aufgabe! Es geht um die – ich nenne es nun einmal: christliche Pflicht – sich mit den Augen Gottes zu betrachten. Und aufzuhören, sich selbst runterzumachen.

Natürlich reden wir nicht über den Schönheitsbegriff einer Miss oder Mr. Germany-Wahl. Sondern über Schönheit in dem Sinne, wie wir den Mischlingshund mit dem abgeknickten Ohr viel schöner finden, als den preisgekrönten Rassepudel. Es wird auch darum gehen, zu überlegen, wer oder was unser Schönheitsideal bestimmt hat und ob das im Ernst so sein soll. Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Anders als wir gemeinhin meinen, gibt es kein objektives Schönheitsideal. Es ist spannend zu überlegen: Was ist für uns „schön“?

Das erste Ziel für die Fastenzeit könnte sein, uns selbst anzusehen mit den Augen Gottes. Mal zu phantasieren: Was ist für Gott „schön“? Schön an mir? Das zweite könnte dann in der Tat auch sein: Sieben Wochen, ohne andere Menschen runterzumachen.

Beides hängt zusammen, wie ich seit meiner Studienzeit weiß. Denn irgendwann fiel mir auf, dass es Tage gab, an denen ich beim Gang durch die Bibliothek zu meinem Schreibtisch die lesenden Studierenden in Gedanken ständig bekrittelt habe: „Streber“, „Schönling“, „unpolitischer Zeitgenosse“. An anderen Tagen dagegen konnte ich dieselben Leute innerlich anlächeln. Irgendwann habe ich gemerkt, dass all das überhaupt nichts mit den Kritisierten, sondern nur mit meinem aktuellen Wohlbefinden zu tun hatte. Wenn ich mit mir und der Welt im Einklang war, dann lächelte ich sie innerlich an. Wenn ich unzufrieden war, dann bekrittelte ich jeden. An dem Tag, an dem ich das merkte, habe ich damit begonnen, dieses „Runtermachen“ der Anderen nur noch als großes Hinweisschild zu sehen. Darauf stand: „Mensch, Dir geht es offensichtlich gerade nicht gut!“ Und daran konnte und kann ich dann (manchmal) etwas ändern.

Mich selbst mit den liebevollen Augen Gottes ansehen zu lernen, ist dabei ein möglicher wichtiger Schritt. Ein Schritt, den ich allerdings immer wieder neu gehen muss, weil ich immer wieder, wenn auch weniger, in den alten Trott verfalle.

Deshalb freue ich mich auf die Fastenzeit.

Bernd Zielezinski