Ungeheuerliche Einsicht

Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! (Matthäus 27,54)

Wie selbstverständlich klingt dieser Satz nach zweitausend Jahren Christenheit für Leute, denen ihr Glauben wichtig ist?! Und: Wie fremd, sinnlos und unvorstellbar ist er nach zweitausend Jahren Christenheit für moderne Skeptiker und Menschen, die mit der christlichen Gedankenwelt nichts (mehr) anfangen können!? Im Augenblick seines Entstehens aber enthält dieser Satz eine ungeheure Sprengkraft. Gerade weil er nicht aus dem Mund eines nach damaligen Maßstäben Frommen kommt, sondern aus dem Mund eines Heiden; schlimmer noch: eines heidnischen römischen Soldaten, dem seine religiösen Zeitgenossen keine geistliche Einsicht, sondern nur zynische Grausamkeit zutrauen. Ist er doch gerade noch daran beteiligt, drei Menschen festzunageln – am Kreuz. Weiterlesen

Ausgerechnet…!

„Ausgerechnet…!“ Wie oft haben wir uns das schon sagen hören. Überrascht, irritiert, leicht kopfschüttelnd vielleicht auch.

„Ausgerechnet die!“ Da begegnet uns nach Jahren das blasseste und schüchternste Mädchen aus unserer Schulklasse wieder. Und wir erkennen mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid: Edles Outfit, gewinnendes Lächeln und ein geradezu provozierend souveränes Auftreten. Unglaublich! Wenn uns das jemand vor zwanzig Jahren prophezeit hätte… Weiterlesen

Wechseljahre

In den letzten Wochen hat es in meinem Leben einige Wechsel gegeben, und vielleicht war es ja einer zu viel… Doch der Reihe nach.

Die wichtigste Veränderung: Wir sind umgezogen. Es war natürlich nicht das erste Mal in meinem Leben – aber, gefühlt: das schrecklichste! Wie kann ich nur in ein paar Jahren so viel unnötiges Zeugs angehäuft haben? Der letzte Umzug ist doch erst dreieinhalb Jahre her! Wahrscheinlich hat mein Mann das ganze Gerümpel angeschleppt, heimlich. Nur so kann es gewesen sein! Oder vielleicht haben ja auch meine Töchter ihre Reste aus den Kellerecken nicht mitgenommen, als sie vor Monaten auszogen – ich habe damals nicht genau nachgeschaut. Weiterlesen

Gott lässt sich nicht instrumentalisieren

Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? (Römer 8,31)

Dieser Vers aus dem Brief des Apostels Paulus an die frühe christliche Gemeinde in Rom wird in manchen Jahren von meinen Konfirmandinnen und Konfirmanden gern als Konfirmationsspruch ausgewählt. Wenn man die Jugendlichen nach dem Grund ihrer Wahl befragt, beschreiben sie den Vers als kurze und knackige Zusammenfassung des Handelns Gottes. Gott hat uns erwählt und in diesem Wissen dürfen wir leben.
Mir war dieser Vers in seiner Aussage lange unbehaglich. Er nährte in meinen Augen viel zu oft in der Geschichte ein großes Missverständnis. Nach dem Motto: Gott mit uns – gegen die anderen! Als ob ich mir sicher sein dürfte, egal, was ich täte, Gott ist schon mit mir. Weiterlesen

Worte können Segen bringen

Vor einer Geburtstagsfeier überlegen wir oft tagelang, was wir einem anderen Menschen schenken können. Wir suchen nach einem Geschenk, das unser Gegenüber erfreut, das er gebrauchen kann und das ihm gut tut. Auch Formulierungen für schriftliche Glückwünsche wählen wir oft sehr genau aus. Manchmal benutzen wir dabei auch das Wort „Segen“. In einem Ständchen singen wir „Viel Glück und viel Segen“ und verpacken darin unsere Wünsche für unsere Freunde und Verwandte. Mit „Segen“ meinen wir meist etwas Umfassendes, etwas, das wir nicht selber kaufen oder herstellen können, sondern das wir von Gott erbitten. Weiterlesen

Alles nur gespielt?

Lange habe ich mich darüber gewundert, wie arglos auch unter Christen und in der Kirche von den „Rollen“ geredet wird: von der Rolle der Kirche in der Gesellschaft, von der Rolle der Pfarrer in der Kirche, von den Rollen in der Familie: von der Mutterrolle, von der Vaterrolle. Aber: Vater bin ich. Das spiele ich nicht. Ich bliebe selbst dann Vater, wenn ich mich der Rolle verweigern würde.

Dennoch ist das Reden von den Rollen üblich. Es ist ja auch so: Tag für Tag spielen wir unzählige Rollen. Als Kunde oder Kassiererin, Hausbesitzerin oder Mieter, Berater oder Verführer. Besteht also unser Leben aus der Summe unserer Rollen? Wer sind wir, wenn wir keine Rolle spielen? Weiterlesen

Zwischen Kippa und Koran

Bewaffnet mit dem Koffer unseres Schulreferates, der mit Materialien zum Thema Judentum gefüllt ist, war ich neulich in der Schule unterwegs. Ich unterrichte Klassen der Höheren Handelsschule: Junge Männer und Frauen zwischen 16 und 22 Jahren muslimischen, christlichen und undefinierten Glaubens – „Halbstarke“ hätte mein Vater gesagt. Auch die Herkunft der jungen Leute ist breit gestreut: Afghanistan, Libanon, Kurdistan, Türkei, Polen, Kosovo, Kroatien, Slowenien, Nigeria… – und natürlich auch Deutschland sind nur einige der Länder, aus denen die Familien meiner Schülerinnen und Schüler stammen. Weiterlesen

Verlass mich nicht, wenn ich schwach werde

Kirche und Diakonie engagieren sich auf vielfältige Weise, um Menschen beim Älterwerden und erst recht im hohen Alter zu unterstützen. Altwerden und Alt sein in Deutschland sind bunt geworden. Genauso vielfältig ist das, was Seniorinnen und Senioren in Kirche und Diakonie finden können. Es gibt ganz niedrigschwellige Möglichkeiten, um mit anderen etwas zu unternehmen oder Gemeinschaft zu erfahren: in der Offenen Seniorenarbeit, bei Bildungsangeboten oder Seniorenreisen, in Seniorentagesstätten oder in Gruppen, Clubs und Treffs in fast jeder Kirchengemeinde. Entsprechend groß ist aber auch die Spannbreite der Dienstleistungen, wenn es im Alter schwierig wird. Sie reicht von stationären Pflegeeinrichtungen über betreutes Wohnen, ambulante Pflege zu Hause, Essen auf Rädern bis zur Pflegeberatung oder zu Demenz-Cafés. Zu den Ressourcen evangelischer Altenarbeit gehört aber natürlich auch das, was die Schatzkiste der Bibel uns bietet. Weiterlesen

Begreift ihr meine Liebe?

Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? (Johannes 13,12)

„Verkehrte Welt“, so hat Petrus wohl gedacht, als Jesus sich hinkniete, um seinen Jüngerinnen und Jüngern die Füße zu waschen. Alles in ihm sträubte sich. Das konnte er doch nicht zulassen! „Rabbi“ wurde Jesus oft genannt, „Meister“ und „Herr“, weil die Menschen ihm vertrauten, ihn achteten und auf seine Worte hörten, weil sie ihn verehrten. Und nun war dieser Jesus aufgestanden, hatte das Obergewand abgelegt, sich ein Tuch wie eine Schürze vorgebunden und eine Waschschüssel zur Hand genommen. Als wäre ER ein Diener oder eine Dienerin, hat er sich vor seine Freunde gekniet und begonnen, ihnen ihre Füße zu waschen. Petrus protestiert und begreift nicht, was diese Situation bedeutet. Er sucht nach Argumenten und Vorbehalten, und will seinen Widerstand rechtfertigen. Er kann nicht aushalten, dass Jesus sich so demütig verhält: wie ein Knecht und nicht wie ein Herr. Weiterlesen

Heute Morgen um sechs

Ist es möglich, dass am Dienstagmorgen um sechs Uhr eine Andacht in einer Evangelischen Kirche stattfindet? Ja, es ist möglich! So geschehen heute Morgen in der Friedenskirche in Dellwig. Wir haben mit unserer katholischen Schwestergemeinde St. Michael vereinbart, Andachten in der Fastenzeit anzubieten – abwechselnd in St. Michael und in der Friedenskirche, aber immer um sechs Uhr, mit einem anschließenden kleinen Frühstück. Weiterlesen